Streik am Flughafen: Am Boden geblieben

Wegen des Streiks bei der Luftsicherheit am BER wurden am Donnerstag alle Flüge gestrichen. Die Angestellten erhöhen so den Druck in den Tarifverhandlungen.

Streikende mit gelben Verdi-Westen stehen vor dem Flughafen BERlin Brandenburg BER, vor ihnen steht ein Mann, auch mit Weste und Mikrofon

Streikende Mitarbeiter der Sicherheitsunternehmen am Flughafen BER in Berlin Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Um neun Uhr morgens haben sich am Donnerstag auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Abflugterminal des Flughafens 200 bis 300 Protestierende versammelt, gut zu erkennen an ihren knallgelben Security- oder Verdi-Warnwesten. Sie versorgen sich mit heißem Tee und plaudern, die Stimmung ist eher entspannt als kämpferisch, sogar die Sonne lässt sich blicken.

Die Gewerkschaft Verdi hat die Belegschaften der privaten Sicherheitsunternehmen am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) sowie zehn weiteren deutschen Flughäfen zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Am BER begann der Arbeitskampf um 3.30 Uhr und sollte bis 23.59 Uhr andauern.

Aus Sicht der Gewerkschaft ist der Warnstreik ein voller Erfolg: Sämtliche für Donnerstag vorgesehenen 170 Abflüge sind gestrichen, auch etwa ein Viertel der Ankünfte entfällt. Nur einige wenige Reisende irren im BER umher und staunen, als 150 der Streikenden einen gemütlichen Rundgang durch das ansonsten fast menschenleere Terminal machen.

Am BER arbeiten etwa 2.200 Menschen für die Luftsicherheit, 600 pro Schicht. Die Kol­le­g*in­nen seien „massiv verärgert“, sagt Gewerkschaftssekretär Enrico Rümker zur taz. Seit Jahren gebe es zu wenig Personal in der Luftsicherheit, daher müssten die Angestellten mehr arbeiten. „Und die sagen: Wenn ich mehr arbeite, will ich das auch vergütet bekommen.“

Tarifverhandlungen bisher ohne Erfolg

Der Streik findet im Rahmen der bundesweiten Tarifverhandlungen für Sicherheitskräfte an den Verkehrsflughäfen statt, die Verdi derzeit mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) führt. In den bisherigen drei Tarifverhandlungsrunden konnte jedoch keine Einigung erzielt werden.

Für die etwa 25.000 Flughafenbeschäftigten, die in der Fluggast-, der Personen- und Waren- und der Frachtkontrolle oder in Servicebereichen tätig sind, fordert die Gewerkschaft 2,80 Euro mehr Lohn pro Stunde, höhere Funktionszulagen und Mehrarbeitszuschläge von 30 Prozent ab der ersten Überstunde bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten.

Laut Rümker handelt es sich bei der Mehrarbeit um insgesamt 384 Stunden im Jahr, die bislang ohne Zuschlag bezahlt werden. „Und da sagen die Kollegen: Das machen wir nicht mehr länger mit.“

Laut Verdi liegt der Stundenlohn bei der Sicherheit in der niedrigsten Entgeltgruppe derzeit bei 13,83 Euro und in der höchsten bei 20,60. Mit der geforderten Erhöhung soll der Kaufkraftverlust der Beschäftigten durch die Inflation ausgeglichen werden. Die starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln und der Energie belasten die Finanzen insbesondere der unteren Lohngruppen.

Zwar hat der Arbeitgeber ein Angebot in Aussicht gestellt, fordert aber Vorbedingungen für Verhandlungen – was Verdi ablehnt. Der BDLS bietet ein Plus von sieben Prozent auf zwei Jahre, das wären knapp ein Euro in der niedrigsten Entgeltgruppe und 1,50 Euro in der höchsten. „Völlig unzureichend“, findet Rümker. „Das führt zu Reallohnverlusten bei den Kollegen; und der Problematik, dass die Kollegen viel länger arbeiten, als eigentlich vertraglich vereinbart ist, ist vom Arbeitgeber gar nicht Rechnung getragen worden.“

Branche erzielt Rekordgewinne

Angesichts der Bauernblockaden, dem jüngsten Lokführerstreik, dem anschließenden Streik an den Flughäfen und direkt danach bei der BVG sieht Rümker das Risiko, dass die Anliegen der Ar­beit­neh­me­r*in­nen in der Bevölkerung an Rückhalt verlieren. „Aber ich nehme eher die Stimmung wahr, dass die Leute nicht mehr bereit sind, die Zeche für den ganzen Wahnsinn der letzten Jahre zu zahlen.“

Damit meint er die Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukrainekrieges sowie die gestiegenen Preise. „Gleichzeitig macht diese Branche Rekordgewinne, etwa die Lufthansa als größte Airline in Deutschland.“ Die Mitarbeiter*innen, die diese Gewinne erwirtschaften, würden hingegen „in die Röhre gucken“.

Rümker glaubt daher, dass der Druck und die Unterstützung eher größer werden. „Hoffentlich schließen sich viel mehr Menschen aus verschiedenen Bereichen an und sagen: Wir sind auch nicht mehr bereit, dass nur der kleine Mann die Zeche zahlt.“

Mit der Beteiligung an der Kundgebung und dem Umstand, dass am Donnerstag kein einziger Flieger vom BER abheben konnte, zeigt sich Rümker „sehr zufrieden“. Denn damit sei das Ziel erreicht worden: wirtschaftlichen Schaden beim Arbeitgeber zu erzeugen, damit er den Forderungen der Angestellten nachgibt.

Ab Freitag soll der Luftverkehr wieder wie gewohnt laufen. Für die anstehenden Verhandlungen sind zwei weitere Runden für den 6. und 7. sowie den 21. und 22. Februar vereinbart.

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