Steinmeiers Weihnachtsansprache: Durchhalten bis 2026

Der Bundespräsident als Floskelkönig: Jedes Jahr aufs Neue behelligt er die Deutschen mit seiner Weihnachtsansprache. Aber es ist Land in Sicht.

Bundespräsident Steinmeier steht neben einem Weihnachtsbaum

Immerhin gibt es bei Steinmeier echte Kerzen: Der Bundespräsident am Tag seiner Weihnachtsansprache Foto: Britta Pedersen / reuters

Die Ansprache des Bundespräsidenten war kraftvoll und scheute keine Tabus. Sie sprach Gewalt gegen Kinder an, den feindseligen Umgang mit behinderten Menschen, prangerte die Diskriminierung von Arbeitsmigranten in Deutschland an. Und dann dieser Satz: „Solidarität ist eine schlechte Sache, wo sie als ein gemeinsames Schweigen geübt wird, anstatt beim Namen zu nennen, was man für schlecht oder gefährlich hält.“ Die Rede stammt von Gustav Heinemann und ist schon 52 Jahre alt; für die damalige Zeit war sie ziemlich mutig.

Mit Fug und Recht lässt sich sagen: Die Qualität von Bundespräsidenten-Weihnachtsansprachen hat eine ähnliche Verlaufskurve wie die von ZDF-Vorabendserien: Es geht eigentlich immer weiter bergab. Seit 2017 behelligt Frank-Walter Steinmeier die Öffentlichkeit mit seinen Weihnachtsansprachen, die von Ton und Inhalt her immer stark an protestantische Laienpredigten erinnern.

Steinmeiers Thema war, wenig überraschend, der gesellschaftliche Zusammenhalt – im Steinmeier-Sound: „Weiter kommen wir immer nur gemeinsam.“ Dabei braucht der viel beschworene Zusammenhalt Voraussetzungen. Studien und Befragungen kommen regelmäßig zu dem Ergebnis, dass die Deutschen die Schere zwischen Arm und Reich für den Hauptgrund einer gesellschaftlichen Spaltung halten.

Und die Spaltung geht weiter: Steinmeier hätte kritisieren oder zumindest andeuten können, dass das Sparpaket der Ampelregierung die Normal- und Geringverdiener überproportional belastet; höhere Steuern für Spitzenverdiener und Großerben wird es nicht geben. Doch soziale Gerechtigkeitsfragen waren noch nie ein Thema für Steinmeier, im Gegenteil, als Architekt der Agenda 2010 und damaliger Vertrauter von Gerhard Schröder hatte er die Spaltung bekanntlich verstärkt.

Aber, um Steinmeier sinngemäß zu zitieren: Wo Dunkelheit ist, ist die Hoffnung nicht weit. Nur noch drei Weihnachtsansprachen wird es von Steinmeier geben; 2026 ist Schluss. Es ist zu hoffen, dass dann jemand an die Spitze gewählt wird, der mehr als leere Wohlfühlfloskeln hinbekommt.

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