Sodomie und Kunst: Auf den Hund gekommen

Ein Gesetz will Sex mit Tieren unter Strafe stellen. Über ein kompliziertes Rechtsgut, Hühnerficker und Hundeakte in der Kunst.

Für was Tiere so alles herhalten müssen: Schäferhund auf dem CDU-Parteitag. Bild: dpa

Kaum wurde bei der letzten Novellierung des Tierschutzgesetzes im Frühjahr den Zirkusunternehmen das Halten und Abrichten von Wildtieren verboten, weil sie diese nicht annähernd „artgerecht“ halten können, steht im Herbst schon wieder eine Novellierung dieses Gesetzes an:

Mit demselben Begriff „artgerecht“ soll nun der sexuelle Missbrauch von Tieren explizit unter Strafe gestellt werden. „Damit der Staat mehr Möglichkeiten hat“, wie eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes erklärte.

Implizit war diese „Praxis“ auch schon im alten Tierschutzgesetz bei Strafe verboten, indem es dort heißt, dass Tieren keine „vermeidbaren Leiden“ zugefügt werden dürfen. Die Tierschützer als Initiatoren der neuen Novelle behaupten jedoch, dass inzwischen gewissermaßen Gefahr im Verzuge sei – so ist in einer Vorlage des Bundesrats von „auch in Deutschland aufkommenden Tierbordellen“ die Rede.

2011 hatte ich in einem Reportageband des Sterns über Orang-Utans auf Borneo gelesen, dass man dort kahl rasierte Weibchen in Bordellen halten würde. Weder die eine noch die andere Geschichte möchte ich glauben.

Von Befriedigung mit Fischen

Wahr ist indes, dass zumindest im Internet sodomitische Pornos stark nachgefragt werden. Meist sind es arme Brasilianerinnen, die sich da in den Videoclips mit allen möglichen Tieren bis hin zu Fischen „befriedigen“. Zudem gibt es eine ganze Reihe deutschsprachiger Internetforen für Zoophile – ohne anrüchiges Bildmaterial.

Und kürzlich wagte einer bereits ein „Coming-out“ – in der BZ, der er gestand, er liebe seinen Dalmatiner, auch sexuell, aber nur, wenn der es auch wolle. Auch in der taz sprach der Vorsitzende des Vereins Zeta (Zoophiles Engagement für Toleranz und Aufklärung) kürzlich über seine Beziehung zu seinem Hund.

Diese „Konjunktur“ der Zoophilie, wie der Sexualverkehr mit Tieren auch heißt, darf überraschen: Seit dem US-Kinsey-Report aus den sechziger Jahren, in dem festgestellt wurde, „das ländliche Pendant zur urbanen Masturbation“ sei „die Sodomie“, war man davon ausgegangen, dass diese mit der Verstädterung und Industrialisierung sowie mit der durch die „Pille“ ausgelösten „sexuellen Befreiung“ allmählich aussterben würde. Zu Sodomie kam es, so die These, aus Mangel an zum Geschlechtsverkehr bereiten Frauen in Männergesellschaften.

Für diese These sprachen die wenigen in den letzten Jahrzehnten noch bekannt gewordenen Fälle, die meistens Randgruppen betrafen: angetrunkene Soldaten, die im Manöver über eine Schafherde herfielen; ein arbeitsloser Hühnerficker, der sich mit dem Argument verteidigte, sein Glied sei so klein, dass ihm der Geschlechtsverkehr mit Frauen unmöglich sei; Pitbullbesitzer, deren Freundinnen es unter Alkoholeinfluss mit ihren Hunden trieben, und so weiter.

Dagegen steht eine Stockholmer Studie aus dem Jahr 2004, die nahelegt, dass in Schweden, wo sämtliche die Gleichheit der Geschlechter verletzenden Sexualbeziehungen unter Strafe gestellt wurden, all jene, die trotzdem und weiterhin solche „Ungleichen“ suchen, anscheinend auf die Sodomie ausgewichen sind: In Schweden sollen demnach jährlich 200 bis 300 Tiere sexuell missbraucht werden – Tendenz steigend.

„Neubesetzung des ’Hündischen‘“

Die taz berichtete bis 2004 rund 120-mal über diese Praxis. 1986 machte sie im Feuilleton in diesem Zusammenhang eine „Neubesetzung des ’Hündischen‘“ aus, wobei der Impuls dazu von Künstlern ausgehe: In Paris führten zwei hessische Künstler eine Performance vor, in der Eva Braun von Hitler als Schäferhund gevögelt wurde.

In Frankfurt stellte der Maler Johannes Beck eine großformatige Bildserie „Schäferhunde und Mösen“ aus. Auch auf der Kölner Kunstmesse hieß das Thema bei den „Heftigen“ „Frau mit Hund“, mit „Schäferhund“, genauer gesagt. Dazu gehörten ein ausgestopfter Schäferhund, die Vorstellung einer neuen Avantgardezeitschrift namens „Doggy“ und Hundebilder in allen Stilen. Der Stern zog nach – und veröffentlichte ein Foto von Schauspielerin Dera Winger („Staatsanwälte küsst man nicht“), wie sie auf einem Schäferhund liegt und ihm den Hals ableckt.

Ähnlich zeigte sich auch die damals an einem neuen Image arbeitende Sängerin Nena, als sie sich in der Zeitschrift Tempo mit einem Schäferhund ablichten ließ, der ihr hingebungsvoll den Hals leckte. Das taz-Feuilleton fragte damals: „Wird an deutschen Schäferhunden dereinst die Welt gesunden? Und befinden wir uns dann immer noch in der Hegelschen Herr-Hund-Dialektik? Mit der zweiten deutschen Manager-Generation rückte die Domina bereits zum ’Zeitgeist‘-Thema auf. Tagsüber den ’Herr‘ (F. J. Raddatz) spielen, abends den Hund rauslassen?“

Die Berliner Zeitung erinnerte nun daran, dass in den Niederlanden 2008 ein Friese, der „dutzendfach ein Pony vergewaltigt hatte“, vor Gericht freigesprochen wurde, weil dieser Akt damals nicht strafbar war. Tierschützer Henk ten Napel meinte anschließend: „Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass die Niederlande die zweifelhafte Ehre haben, der größte Produzent von Tierpornos zu sein.“

Menschenrechte für Tiere

Auf der anderen Seite arbeitet die Schweiz inzwischen bereits an Individualrechten für Tiere. Die Tierverhaltensforschung legt schon lange nahe, Menschenrechte zumindest für „höhere Affen“ zur Geltung zu bringen.

2009 kam es im Kreuzberger Kunstverein NGBK im Rahmen der Ausstellung „Tier-Werden/Mensch-Werden“ zu einem öffentlichen „Referendum – für die rechtsgültige Erlaubnis zur Zeugung gemeinsamen Nachwuchses von Menschen und Primaten zur Errichtung einer Fortpflanzungsgemeinschaft“.

To cut a long story short: Die Tierliebe ist ein kompliziertes Rechtsgut. Sie – angesichts der zunehmend tierquälerischen Massentierhaltung und -tötung – in Form der Zoophilie unter Strafe zu stellen rückt diesen Gesetzentwurf in die Nähe jener neoliberalen Parlamentsaktivitäten, die nichts kosten und keine sozialen Verwerfungen mehr angehen, sondern ausschließlich der Bekämpfung nicht normaler Muster der Lebensführung (Alkohol, Nikotin, Fast Food, Glühbirne, Kopftuch) dienen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.