Rechtes Festival in Ungarn: Sebastian Kurz als Stargast

Österreichs Ex-Kanzler macht einem Thinktank von Ungarns Machthaber Orbán seine Aufwartung und fühlt sich in illiberaler Umgebung offenbar wohl.

Sebastian Kurz im Porträt

Hans Klaus Techt/dpa Foto: Sebastian Kurz 2017 in Brüssel

WIEN taz | Öffentliche Auftritte von Österreichs Ex-Kanzler Kurz sind seit seinem Abgang Ende 2021 eine Seltenheit. Immer wieder kocht die Gerüchteküche um eine Rückkehr in die Politik hoch, nicht zuletzt da seine ÖVP in den Umfragen derzeit bei rund 20 Prozent herumgrundelt. Eine Rückkehr schließt der nunmehrige Familienvater und Unternehmer aber kategorisch aus.

In der Öffentlichkeit könnte er wieder stehen, wenn es demnächst tatsächlich zu einem juristischen Verfahren gegen ihn kommt. Vorgeworfen wird ihm eine mutmaßliche Falschaussage in einem ÖVP-Untersuchungsausschuss, der sich mit Postengeschacher bei der Reform der österreichischen Staatsholding ÖBIB bzw. der späteren ÖBAG befasste. Der Weisungsrat im Justizministerium gab kürzlich bekannt, keine Einwände gegen eine etwaige Anklage zu haben. Noch gibt es keine solche, auch gilt die Unschuldsvermutung.

Wer diese Woche nicht zum Salzburger Festspielempfang von Sebastian Kurz eingeladen war, hatte gestern in Ungarn eine Gelegenheit, ihn zu sehen: Er war Stargast beim Sommerfest des Mathias Corvinus Collegium in Esztergom, wenige Kilometer von Budapest entfernt. Das MCC ist eine selbsternannte Denkfabrik, die als Kaderschmiede von Ungarns Premier Viktor Orbán gilt.

„The World in 2023: Expecting the Unexpected“ hieß des Ex-Kanzlers Vortrag am MCC-Sommerfest, in dem er laut Programmtext über die Rolle von Technologie und Innovation in der Geopolitik dozierte – bei freiem Eintritt und auf der Hauptbühne im Zentrum der Kleinstadt. Direkt vor ihm sprach Michael Knowles, rechter Politkommentator aus den USA. Dessen politische Haltung ging sogar Fox News zu weit. Er hatte während einer Sendung des TV-Kanals Greta Thunberg als „mental krankes Kind“ bezeichnet. Fox News entschuldigte sich daraufhin. Knowles fiel aber auch anderweitig auf, etwa indem er forderte, „Transgenderismus“ auszulöschen. Er gilt als Unterstützer von Donald Trump.

Der Vorsitzende des MCC ist übrigens Balázs Orbán, nicht mit dem ungarischen Premier verwandt, aber für ihn tätig. Balázs Orbán, wie Kurz 1986 geboren, ist Fidesz-Abgeordneter im ungarischen Parlament, hatte ein stellvertretendes Ministeramt inne und ist seit 2021 politischer Direktor Viktor Orbáns. Seine Meinungen sind offen illiberal. So behauptete Balázs Orbán in einem Interview mit dem rechtspopulistischen österreichischen Krawallmedium eXXpress, es sei mittlerweile „gefährlich, eine eigene Meinung zu haben“. Er verteidigte auch die Asylpolitik Ungarns. Auf Twitter teilte er Aussagen über die „sterbende Nationen“ des Westens, getätigt von Michael Knowles am MCC-Fest.

Fühlt sich Sebastian Kurz in dieser Gesellschaft tatsächlich wohl? Offenbar ja. Eine taz-Anfrage, u.a. zu seinen Beweggründen für eine Teilnahme am MCC-Fest und nach einer etwaigen Bezahlung für seinen Vortrag, ließ er unbeantwortet. Vom Veranstalter hieß es, man freue sich, ein früheres österreichisches Regierungsmitglied an Bord zu haben. Zu den Kosten des Festivals machte das Mathias Corvinus Collegium keine Angaben, diese seien noch nicht endgültig bekannt.

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Am Budget dürfte es ohnehin nicht mangeln. Das MCC wurde 2020 von der ungarischen Regierung mit umgerechnet über einer Milliarde Euro ausgestattet, unter anderem in Form von Anteilen am teilstaatlichen Mineralölkonzern MOL. Damit verfügt der Thinktank über mehr Budget als fast alle anderen ungarischen Hochschulen. Ebenso verfügt das Collegium über mehrere riesige Immobilien, unter anderem auch eine eigene Dependance in Brüssel. Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich die MCC zudem bei der privaten Hochschule Modul University in Wien eingekauft hat.

„Das MCC ist Orbáns Flaggschaff zur Schaffung einer kulturellen und wissenschaftlichen Hegemonie in Ungarn“, sagt Zsolt Bogar, freier Journalist in Budapest im Gespräch mit der taz. Mit dem Betrieb als Thinktank sowie auch mit dem aktuell abgehaltenen Festival wolle Orbán Nationalismus und konservatives Gedankengut in Ungarn und darüber hinaus verbreiten. Offenbar auch vermittels früherer österreichischer Bundeskanzler.

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