Rechter Diskurs in „Mainstreammedien“: Abgestumpft und ohnmächtig

Was vor fünf Jahren einen Protestschrei nach sich gezogen hätte, ist heute Alltag. Schuld daran sind vor allem wir – die Presse.

Eine Frau hält einen kleinen Hund und eine Deutschlandfahne

Unter dem Deckmantel des Bürgerwillens wird geschrieben, was schon lange gedacht wurde Foto: dpa

Wisst ihr was Leute? Heute setzen wir uns mal hin und debattieren gepflegt darüber, ob man Menschen ertrinken lassen sollte. Also so ganz konkret. Soll man die aus dem Wasser ziehen oder lieber dabei zusehen wie sie elendig ersaufen?

Und dann laden wir uns ein paar Leute in die Talkshow ein, die der Meinung sind, dass Kümmeltürken zurück in ihre Lehmhütten sollen. Oder jemanden der den Holocaust verharmlost. Vielleicht erklären die uns ja, wie sie das eigentlich meinen.

Danach machen wir dann ein Cover mit der Schlagzeile „Es war einmal ein starkes Land“, in dem wir den Untergang einer der reichsten Nationen der Welt heraufbeschwören und vielleicht noch eine Talkshow, in die wir diesmal eine Frau einladen die gerne auf wehrlose Menschen an den Außengrenzen schießen möchte. Wer ist dabei?

Was, trotz der schon immer unsäglichen realen Zustände in diesem Land, vor fünf Jahren einen unvorstellbaren Protestschrei nach sich gezogen hätte, ist nun Alltag. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir ernsthaft glauben, es wäre nötig Rassisten, Sexisten und Faschisten eine Plattform zu geben. Und mit „Wir“ meine ich die Presse in diesem Land.

Klicks aus beiden Lagern

Nicht etwa einmal oder zweimal. Sondern täglich. Immer und immer wieder. Überall. Und warum? Weil man abbilden muss, was hier geschieht, und weil man den Rechten in die Hände spielt, wenn man ihre Sorgen nicht ernst nimmt. So hört man es immer wieder. Weil es wichtig ist mit und nicht über Menschen zu reden. Oder weil es ganz schön viele Klicks und Quoten aus beiden Lagern bringt. Das wäre zumindest die ehrlichste Antwort.

Der Aufschrei war groß als die AfD im September 2017 auf 12,6% der Stimmen kam. Ein solcher Erfolg war offenbar in den Köpfen einiger Bürger und Pressevertreter nicht vorstellbar. Dabei liegt der eigentliche Erfolg der neuen Rechten ganz woanders: Sie haben es geschafft, dass wir Dinge wieder für diskutabel halten, die indiskutabel waren und eigentlich immer noch sind. Sie haben es geschafft, dass eine breite Presselandschaft glaubt, Menschen eine Plattform bieten zu müssen, die sich offen gegen die Menschlichkeit aussprechen.

Dass wir es inzwischen als normal empfinden, täglich von verbalen Entgleisungen zu lesen, die die Geschichte dieses Landes und ihre Opfer mit den Füßen tritt. Dass es nicht mehr reicht, zu wissen was jemand meint. Dass wir uns täglich an der Nase herumführen lassen von den Tabubrüchen und den anschließenden Ausflüchten und Erklärungen.

Die Diskursverschiebung nach rechts in den Medien, ist gewiss kein Zufall. Die Schnelligkeit mit der sie von statten ging spricht dafür, dass viele der Pressevertreter nur darauf gewartet haben. Unter dem Deckmantel des Bürgerwillens wird geschrieben, was im Hinterstübchen schon lange gedacht wurde.

Denn auch wenn uns das heute weiß gemacht wird: Die Prä-AfD-Zeit war ganz bestimmt keine linke Gesellschaft nach dem Vorbild der 68er. Man darf aber nicht unterschätzen, wie viele Köpfe in diesem Land sich heimlich daran gerieben haben, dass bestimmte Dinge nicht mehr sagbar sind, dass es zumindest nach außen einen gewissen Konsens gab, was moralisch und was unmoralisch ist.

Entgrenzung des Sagbaren

Und der andere Teil? Der ist dem Irrglauben erlegen, dass man die Perversion der neuen Rechten demaskieren könne. Dass man nur deutlich genug herausarbeiten müsse, was die da eigentlich sagen. Dann würden die Leute doch merken, dass so etwas nicht geht. Das kann doch niemand mehr gutheißen was da gesagt wurde. Oder?

Pustekuchen! Die andauernde Präsenz der neorechten Thesen hat zu einer Abgestumpftheit und Ohnmacht geführt, die wir uns lange nicht vorstellen konnten. Verbale Ausfälle sind längst kein Grund mehr für soziale Ächtung, ganz im Gegenteil. Ein kurzer Aufschrei, dann haben wir eine weitere Hürde des Sagbaren genommen.

Die verbalen Grausamkeiten zu ignorieren ist keine Option. Sie tagtäglich abzubilden und den Protagonisten des Rechtsrucks eine Stimme zu geben, hat uns dahin geführt wo wir jetzt sind. All jenen die der Meinung sind, sie würden nur die Meinung im Land widerspiegeln oder seien mutige Querdenker sei gesagt: Jeder neue Tabubruch war und ist nur noch ein weiterer Schritt zur totalen Enthemmung. Denn, der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

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