Preisverleihung im Innenministerium: Der Minister und sein Preis

Es ist ein zweifelhafter Preis: Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen wurde zum „Abschiebeminister 2023“ gewählt.

Innenminister Michael Stübgen spricht auf einer Pressekonferenz, vor ihm eine große, bemalte Tasche

Es gibt andere Preise, die man wohl lieber in Empfang nehmen würde Foto: dpa

Auf der Tasche, die die kleine Gruppe junger Mi­gran­t*in­nen Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) in die Hand drückt, ist ein Bild gemalt: Flüchtlinge in einem Boot auf dem Meer sind darauf zu sehen, verzweifelt in den Himmel guckend, wo deutsche Flugzeuge Abgeschobene wieder zurückfliegen. Diese Tasche ist der Preis, den der gewählte „Abschiebeminister 2023“ am Donnerstagnachmittag im Innenministerium in Potsdam von Ver­tre­te­r*in­nen der Organisation „Jugendliche ohne Grenzen“ entgegennimmt.

Junge Geflüchtete aus ganz Deutschland wählten Stübgen anlässlich der Innenminister*innen-Konferenz im Juni zum Minister mit der härtesten Abschiebungspolitik. „Jugendliche ohne Grenzen“, eine Organisation geflüchteter Jugendlicher und junger Erwachsener aus Deutschland, verleiht den Negativpreis seit 2005 jedes Jahr – Stübgen ist aber der erste, der ihn persönlich in Empfang nimmt. „Das ist heute eine Ausnahme“, erklärt Jibran Khalil, einer der Ver­tre­te­r*in­nen der Jugendgruppe.

Vor der offiziellen Preisverleihung lädt der Innenminister die Gäste zu einem privaten Gespräch in sein Büro ein. „Ich bin Demokrat“, so Stübgen, und als solcher befürworte er stets die Diskussion.

Mit einer starken Mehrheit von 69 Prozent wurde für den brandenburgischen Innenminister gestimmt, der weit vor seinen Kollegen aus Bayern und Thüringen lag. Grund dafür dürfte der Bau des „Ein- und Ausreisezentrums“ am Flughafen BER sein – vielen bekannt als das neue „Abschiebezentrum“. Auch während der Preisverleihung ist es immer wieder Thema.

Uneinigkeit bleibt

2025 voraussichtlich fertiggestellt, soll es zum Sammelpunkt für sämtliche Ak­teu­r*in­nen in Flüchtlingsangelegenheiten werden. So richten sich zum Beispiel die Bundespolizei oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im neuen Zentrum Dienststellen ein. Hier sollen Asylsuchende registriert, Asylanträge bearbeitet und die umstrittenen Flughafenasylverfahren vollzogen werden. Dazu ist geplant, den Ausreisegewahrsahm – also die Ingewahrsamnahme von Ausländern, bei denen befürchtet wird, dass sie sich einer Abschiebung entziehen könnten – stark auszuweiten.

„Es war ganz okay“, sagt Jibran Khalil, einer der Ver­tre­te­r*in­nen von „Jugendliche ohne Grenzen“, über das private Gespräch mit Stübgen. Überzeugen konnte der Innenminister aber nicht – und auch Stübgen steht kritisch zu den Argumenten seiner Gäste. Dass das neue Zentrum in direkter Verbindung mit härterer Asylpolitik stände, bezweifelt er: „Der Bau dieses Gebäudes folgt der Aufgabe, die mit dem neuen Flughafen auf die Bundesrepublik zukommt.“ Dazu würde Brandenburgs Asylpolitik im Vergleich mit anderen Ländern ohnehin nicht durch besonders viele Abschiebungen hervorstechen.

„Vielleicht sollte man nicht in Abschiebezentren investieren, sondern lieber in Kitas oder Schulen“, fordert dagegen Jibran Khalil. Er erwarte außerdem die Einhaltung der Kinderrechte, die seiner Meinung nach bei aktuellen Asylverfahren nicht immer garantiert seien. Er kommt auf vier Kinder zu sprechen, die erst im Februar dieses Jahres mit ihrer Mutter nach Pakistan abgeschoben wurden – „Deutschland trägt eine Verantwortung.“

„Solange keine Person, die Flucht erfahren und erlebt hat, Innenminister ist, wird sich nichts ändern“, glaubt Hava Morina. Auch die junge Frau ist Teil der „Jugend ohne Grenzen“-Gruppierung. Im Gespräch mit den jungen Erwachsenen hätte der Innenminister zwar Mitgefühl gezeigt, wie sie erklärt. Seine Entscheidungen kann sie deshalb aber nicht besser verstehen: „Würde er als Minister so handeln, wie er im Büro mit uns gesprochen hat, wäre die Situation viel besser.“

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