Pflanzengift in Brasilien: Leichtes Spiel für Agro-Konzerne

Bevor Präsident Lula das umstrittene brasilianische Pestizidgesetz unterschrieb, entschärfte er es. Um­welt­schüt­ze­r*in­nen reicht das nicht.

Luiz Inacio lula da Silva

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva Foto: Eraldo Peres/ap

RIO DE JANEIRO taz | Unauffällig zwischen den Jahren über die Bühne gebracht: Ende Dezember unterzeichnete Brasiliens Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva ein Gesetz, das die Registrierung von Pestiziden erleichtern soll.

Die Zulassungen sollen künftig innerhalb kürzerer Fristen erfolgen. Der Gesetzentwurf erlaubt der Industrie die Herstellung von Pestiziden, selbst wenn diese im Ausland verboten sind. Er sieht auch vor, dass das Verbot einzelner Pestizide nur noch auf Bundesebene und nicht mehr auf Landesebene erfolgen kann.

Der Sozialdemokrat Lula legte allerdings mehrere Vetos ein. Er will unter anderem verhindern, dass ausschließlich das Landwirtschaftsministerium Pestizid-Risiken analysiert. Bisher sind auch die Umweltbehörde Ibama sowie die Gesundheitsbehörde Anvisa involviert.

Dem Agrobusiness nahestehende Po­li­ti­ke­r*in­nen kritisierten die Vetos als „inkohärent“. Der Gesetzestext sei im Kongress in einer Übereinkunft verschiedener Parteien verabschiedet worden, unter anderen mit Mitgliedern von Lulas Arbeiterpartei PT. Im Februar soll die Abgeordnetenkammer über die Vetos abstimmen.

Kritik von Um­welt­schüt­ze­r*in­nen

Der Verabschiedung ging eine heftige Debatte im Regierungslager voraus. Während viele Abgeordnete das Gesetz unterstützen, hatte Umweltministerin Marina Silva Kritik geäußert. Auch Umwelt- und Gesundheitsorganisationen schlagen Alarm.

„Die Vetos von Präsident Lula waren wichtig, aber sie sind nicht ausreichend, um die schweren Probleme dieses Gesetzes zu lösen“, sagte der Umweltaktivist Alan Tygel dem Online-Magazin Brasil de Fato. „Der aktuelle Gesetzestext ist katastrophal und gefährdet die Gesundheit der brasilianischen Bevölkerung.“ Umweltorganisationen wollen versuchen, das „Giftpaket“ vor dem Obersten Gerichtshof zu stoppen.

In keinem Land der Welt werden mehr Pestizide eingesetzt als in Brasilien. Alleine im Jahr 2023 wurden mehr als 500 neue Pestizide zugelassen. Die Lula-Regierung behält damit das Tempo der Vorgängerregierung des ultrarechten Jair Bolsonaro bei.

Zwischen Umweltpolitik und Agrarlobby

Erst im Oktober 2023 stellte eine im US-Journal PNAS veröffentlichte Studie einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg von Leukämiefällen bei Kindern und dem Pestizideinsatz auf Sojaplantagen her. Von den zehn meistverkauften Pestiziden in Brasilien sind vier in der Europäischen Union verboten.

Die aktuelle Debatte zeigt ein grundlegendes Dilemma für Lula auf. Auf der einen Seite hatte der Sozialdemokrat eine radikale Wende der Umweltpolitik angekündigt. Tatsächlich hat seine Regierung Kontrollorgane wie die Umweltbehörde Ibama wieder aufgerüstet, nach einer radikalen Kürzungspolitik durch Bolsonaro.

Auf der anderen Seite ist er auf eine gute Beziehung zum Agrobusiness angewiesen. Brasilien ist einer der weltweit größten Lebensmittelproduzenten, die Agrarlobby ist stark. Während seiner ersten beiden Amtszeiten von 2003 bis 2011 hatte Lula für seine Umweltpolitik den Unmut von Umweltschutzorganisation und Indigenen auf sich gezogen.

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