Parlamentswahl in Bulgarien: Hass und Euroskepsis gewinnen

Bei den Wahlen in Bulgarien bekommen die rechten Stimmen Zuwachs. Von stabilen Verhältnissen ist das Land weit entfernt.

Boyko Borissow steht vor einer Wand, die mit dem Motiv einer Sonne und einer Wolke verziert ist

Boiko Borissow in einem Wahllokal in Sofia am Sonntag Foto: Vassil Donev/epa

Es war absehbar: In Bulgarien ist auch die fünfte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren nicht zu dem erhofften Befreiungsschlag geworden. Dabei ist es nur von untergeordneter Bedeutung, wer letztendlich auf dem ersten Platz landet. Sollte dies die Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) des früheren und langjährigen Regierungschefs Boiko Borissow sein, ist wieder einmal keine tragfähige Regierung in Sicht.

Denn mit Borissow, der zu Recht in dem Ruf steht, korrupt zu sein, will keine der anderen Parteien in der Nationalversammlung koalieren. Aber auch wenn das proeuropäische Wahlbündnis „Wir setzen die Veränderungen fort“ (PP) von Kiril Petkow und Assen Wassilew sowie „Demokratisches Bulgarien“ (DB), das sich vor allem die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hat, die Nase vorn hat, bedeutet dies keine stabilen Verhältnisse.

Für diesen Fall hat Petkow zwar die Bildung einer Minderheitsregierung angekündigt. Aber die Notwendigkeit, sich ständig neue parlamentarische Mehrheiten suchen zu müssen, kommt einem Ritt auf der Rasierklinge gleich. Zumindest was die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine angeht, die die von Staatspräsident Rumen Radew eingesetzte Interimsregierung blockiert, sind sich PP, DB und GERB einig.

Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Im negativen Sinne bemerkenswert ist das Abschneiden der nationalistischen und prorussischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt), die abermals zulegen konnte. Sie profitiert wie kaum eine andere Gruppierung von dem politischen Chaos in dem Balkanstaat und ist zu einer festen Größe im Parteiensystem geworden. Hasstiraden gegen Aus­län­de­r*in­nen und Minderheiten kommen bei einem Teil der Wäh­le­r*inn­schaft offensichtlich genauso gut an wie Euroskeptizismus, verbunden mit der Forderung, aus der Nato auszutreten.

Die Einführung des Euro und der Beitritt des Landes zum Schengenraum könnten in weite Ferne rücken, sollte es in absehbarer Zeit keine arbeitsfähige Regierung geben. Diese muss sich zunächst vor allem um die Folgen der Coronapandemie kümmern, unter der Bulgarien immer noch leidet, sowie die Inflation in den Griff bekommen. Dass der Kampf gegen die Korruption ganz oben auf der Agenda steht, versteht sich von selbst. Er habe für ein normales europäisches Leben gestimmt, sagte Kiril Petkow am Wahlabend. Bis dahin könnte es noch ein langer Weg sein. Leider.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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