PMS und Corona: Eine unheilvolle Symbiose

Wenn unsere Autorin PMS hat, fällt es ihr schwer, Grauzonen zu erkennen. Hört sofort auf, Umzugskarton durch den Flur zu werfen!

Nahaufnahme braunes Auge mit tränenden Wimpern

Dem Doppelschlag ins Auge sehen Foto: Philippe Degroote/imago

Mein rationales Denken verabschiedet sich zuweilen. Wobei zuweilen sich eingrenzen lässt: Mit jedem sich der Periode näherndem Tag lasse ich ein Stück meiner Rationalität zurück, um sie wieder einzusammeln, sobald die Menstruation einsetzt und sie sukzessive nach dem Eisprung wieder zu verlieren.

Wenn ich PMS habe, fällt es mir schwer, Grauzonen zu erkennen. Alles ist schwarz oder weiß. Ganz oder gar nicht. Immer oder nie. Damit lässt sich wohl meine Überzeugung, für immer und ewig Corona positiv zu bleiben, erklären.

Ja, richtig gelesen. Diesmal habe ich die volle Ladung abbekommen: PMS UND Corona. Fast vier Jahre lang ist es mir gelungen, das Virus meinem Körper fernzuhalten. Bis ich es nun nicht mehr geschafft und synchron mit Einsetzen meines PMS auch noch ausgerechnet Corona bekommen habe. Vielen Dank, zu gütig.

Glauben kann ich das eigentlich selbst kaum. Muss es aber. Ich sehe ja die Striche, ich spüre ja die Wut. Nun, nach zehn (10!!!) Tagen Leid an der unheilvollen Symbiose aus Corona und PMS, ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen.

Ich schreie die Spülmaschine an

Tag 1–4: Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, grausig schlapp. Angst davor, das höchste je gemessene Fieber zu bekommen und daran zu sterben. Freun­d*in­nen gebeten, mein Buch posthum unfertig zu veröffentlichen. Nach erfolgter Zusicherung beruhigt eingeschlafen.

Tag 5–7: Habe zwar eine laufende Nase, aber fühle mich gesund. Die Tests sind weiterhin positiv. Ich schreie die Spülmaschine mit der klemmenden Tür an. Mein Mann ruft panisch (in Angst um die Spülmaschine) aus dem Wohnzimmer: „Lass liegen, ich räum die ein, leg dich hin, ich mache alles.“ Schreie meinen Mann an und habe nach einer Minute vergessen, weshalb ich eigentlich so wütend war auf den, der sich seit Tagen aufopferungsvoll meiner annimmt.

Tag 7–10: Tests weiterhin positiv. Verlust jeder Hoffnung, jemals keinen zweiten Strich mehr auf dem weißen Rechteck erblicken zu müssen. Auf eine krude Art und Weise verlangt mir die Hartnäckigkeit des zweiten Strichs auch Respekt ab. Er ist hartnäckiger als ich bei jedem Crush, den ich von mir zu überzeugen versuchte.

Schlecht geschlafen, dann wach geworden von lautem Gepolter im Treppenhaus. Maske angezogen, rausgelugt, sehe Kartons durchs Treppenhaus fliegen. Fange sofort an zu schreien: „Alter! Ihr könnt doch hier nicht einfach Kartons durchs Treppenhaus werfen! Das ist gefährlich! Außerdem habe ich Corona und brauche Schlaf.“

Im Bad ist Schimmel

Es war 11.30 mittags. Die Frau von der den Dachboden entrümpelnden Firma reagierte derart lieb, dass sich nun noch jemand in meinem Körper eingenistet hat: das schlechte Gewissen.

Der Wasserhahn tropft und der Küchenboden ist feucht. Weinend wische ich ihn mit einem alten Handtuch trocken.

Das Wort weinend habe ich dreimal (jetzt viermal) falsch geschrieben, ich schreie den Laptop an. W-E-I-N-E-N-D. Die Zeichenzahl wird nicht voll, das ist doch sonst kein Problem. Wird das nun mein kolumnistischer Untergang? Wahrscheinlich nicht, denn Word streicht mir das Wort als unbekannt an.

Es steht schlecht um mich. Es stand zwar schon schlechter, das ist klar, aber auch schon um einiges besser.

Im Bad ist Schimmel, denn das Fenster ist undicht. Eines weiß ich ganz sicher: Die Hausverwaltung darf ich unter keinen Umständen – unter absolut und gar keinen Umständen – mit PMS kontaktieren.

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Sarah Lorenz wurde 1984 in Eckernförde geboren, lebt und schreibt auf St.Pauli. Seit 2023 Kolumne PMS-Ultras in der taz. Im Internet bringt sie unter dem Pseudonym Buchi Schnubbel allabendlich eine Kleinstadt an Menschen zu Bett.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

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