Ökonom über Geywitz' Wohnungsbauvorstoß: „Ich erwarte nicht viel davon“

Matthias Günther vom Eduard Pestel Institut reichen mehr Abschreibungsmöglichkeiten für den Wohnungsneubau nicht. Er hat andere Ideen.

Balkone eines Neubaus

14,5 Milliarden Euro will Klara Geywitz bis 2026 für neue Wohnungen wie hier in Bonn bereitstellen Foto: Thomas Banneyer/dpa

taz: Herr Günther, die Bundesbauministerin will den Wohnungsbau mit steuerlichen Entlastungen ankurbeln. Wie gut finden sie diese Idee?

ist Diplom­ökonom und Vorstand des Eduard Pestel Instituts, das unter anderem Analysen und Modellrechnungen zu Wohnungsmärkten erstellt.

Matthias Günther: Es ist schön, dass sich das Bauministerium aufgerafft hat, etwas zu tun. Aber ich erwarte nicht viel davon.

Nach dem Plan könnten Investoren in den ersten acht Jahren 48 Prozent der Baukosten abschreiben. Warum sind Sie so skeptisch?

Wir haben schon 2014 unterschiedliche Abschreibungsmodelle durchgerechnet und welchen senkenden Effekt sie auf die Miete haben könnten. Unter den Abschreibungsvarianten hatten wir auch eine, die dem Vorschlag von Frau Geywitz recht nahekam. Im Vergleich zu damals sind die Baukosten um rund zwei Drittel gestiegen, und die Zinsen sind rund einen Prozentpunkt höher als damals. Wenn wir das berücksichtigen, dann liegt das Absenkungspotenzial heute schätzungsweise bei 1,5 bis 2 Euro pro Quadratmeter.

Das ist nicht wenig.

Ja, aber das Problem ist: Bei einem Neubau ohne staatliche Förderung liegen die Mieten heute bei etwa 17 bis 20 Euro pro Quadratmeter – weil es sich sonst nicht rentiert. Wenn Sie davon also 2 Euro abziehen, dann wäre man immer noch bei 15 bis 18 Euro pro Quadratmeter – da sind Sie noch lange nicht im Bereich bezahlbarer Mieten. Außerdem: Investoren können bessere Abschreibungsmöglichkeiten zur Absenkung der Anfangsmiete nutzen, sie müssen es aber nicht.

Sie müssen im Gegenzug keine Mietsenkungen garantieren?

Exakt. Investoren bieten das an, was am Markt durchsetzbar ist, und beim Neubau können sie im Grunde genommen die Miete autonom festsetzen.

Könnte man ­Mietbegrenzungen zur Voraussetzung machen?

Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen hat zum Beispiel eine Sonderabschreibung für Unternehmen, die Mietbegrenzungen garantieren, vorgeschlagen. Das Verbändebündnis Soziales Wohnen fordert schon über viele Jahre, dass es eine Sonderabschreibung nur für Investoren geben sollte, die mit einer Mietbegrenzung über wenigstens zehn Jahre einverstanden sind. Ich finde, es darf keine Förderung mehr ohne Gegenleistung geben.

Das sieht der Plan von Geywitz aber nicht vor. Ist das also einfach ein Milliardengeschenk an private Investoren?

Die Idee dahinter ist ja, privaten Investoren einen Anreiz zu geben, wieder in den Wohnungsbau einzusteigen. Sie bauen, wenn sie daran verdienen; das ist ein legitimes Anliegen. Aber ich bin mir nicht mal sicher, ob Investoren überhaupt auf den Plan von Frau Ministerin Geywitz anspringen. Denn es gibt nur einen relativ kleinen Teil in der Bevölkerung, der überhaupt in der Lage ist, diese hohen Mieten im Neubau zu bezahlen. Das ist auch der Grund, warum sich Bauinvestoren aktuell so zurückhalten und die Bauaufträge einbrechen. Sie haben Angst, dass sie neue Wohnungen im hohen Preissegment einfach nicht loswerden.

Aber es gibt doch gemeinwohlorientierte Akteure. Die können diese Abschreibungen doch auch nutzen?

Das Problem ist: Die öffentlichen Unternehmen, die Genossenschaften, die kirchlichen und alle anderen gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen, die im bezahlbaren Preissegment Wohnungen anbieten, würden von höheren Abschreibungsmöglichkeiten kaum profitieren. Denn sie stecken meist alles, was sie erwirtschaften, in den Erhalt ihrer Wohnungsbestände und realisieren keine Gewinne.

Was schlagen Sie vor?

Die Idee, durch Neubau preiswertes Wohnen hinzukriegen, war ohne Förderung nie möglich. Das geht eigentlich nur durch sozialen Wohnungsbau und viel mehr staatliche Förderung. Ich setze deshalb schon seit Jahren darauf, dass man den Sektor der gemeinwohl­orientierten Vermietung stärkt. Das heißt vor allem die öffentlichen, genossenschaftlichen und kirchlichen Unternehmen. Außerdem müssen wir viel mehr im Bestand bauen, zum Beispiel durch Aufstockung von Wohngebäuden. Damit könnten wir deutlich mehr Wohnungen schaffen, als wir es im Moment tun. Das kann bei entsprechenden Stückzahlen auch günstiger sein und hätte eine bessere Klimabilanz.

Das Bauministerium betont, dass die Mittel vom Bund für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöht wurden. Trotzdem ist im vergangenen Jahr die Gesamtzahl gesunken. Warum?

Wenn Frau Ministerin Geywitz immer wieder die 14,5 Milliarden Euro hervorhebt, die bis 2026 bereitgestellt werden, so reicht der Zeitraum zum einen bereits in die nächste Legislaturperiode. Zum anderen erfordert die veränderte Si­tua­tion mit höheren Baukosten und höheren Zinsen auch eine höhere Förderung je Wohnung. Mit den verfügbaren Mitteln kann also nur eine kleinere Zahl an Wohnungen gefördert werden. Zudem werden die Förderbedingungen seitens der Länder meist nicht schnell genug angepasst. Auch die gestiegene Zeit von der Idee bis zur Realisierung einer Sozialwohnung bremst mit heute sechs Jahren die potenziellen Investoren. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, wo sie Fördermittel beantragt haben, bis zur Fertigstellung ist man schon bei einer ganz anderen Kostenstruktur. Es ist wahnsinnig schwierig, so die Wirtschaftlichkeit zu wahren.

Was würde denn helfen?

Das Bündnis Soziales Wohnen hat bereits im Januar ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau gefordert. Bei einer unmittelbaren Reaktion auf die Forderung hätte man mit dieser Summe die von der Bundesregierung angestrebten 100.000 Sozialwohnungen je Jahr in dieser Legislaturperiode noch erreichen können.

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