Obdachlosigkeit in Berlin: Raus aus der Unsichtbarkeit

Die Ausstellung „Mitten unter uns“ im Humboldt Forum beleuchtet den Alltag obdachloser Frauen in Berlin. Die Betroffenen kommen dabei selbst zu Wort.

Eine Damenhandtasche, eine Isomatte und Kleidungsstücke liegen in einer Hofdurchfahrt unweit der Kurfürstenstraße.

Tausende Menschen leben in Berlin auf der Straße Foto: Monika Skolimowska/dpa

BERLIN taz | Menschen ohne Obdach gehören in Berlin zum Straßenbild. Und sie sind noch immer vielfältigen Formen von Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. In den vergangenen Jahren sind vermehrt auch Frauen betroffen. „Sie versuchen oft noch länger als Männer, ihre Situation aus Scham zu verheimlichen oder aber sie bleiben der Kinder wegen in (gewalttätigen) Abhängigkeitsverhältnissen“, beschreibt der Berliner Caritas-Verband die besonderen Probleme der betroffenen Frauen.

Eine kleine, aber sehr gelungene Ausstellung im Humboldt Forum bietet Gelegenheit, sich eingehender darüber zu informieren, wie Frauen ohne Wohnung ihren Alltag in der Hauptstadt bewältigen. Sie wurde vom Verein Querstadtein gemeinsam mit dem Stadtmuseum konzipiert.

Auf einer Freifläche der Ausstellung Berlin Global in der ersten Etage des Humboldt Forums ist eine Art Gebäude mit sechs Türen aufgebaut. Dahinter befinden sich sechs Audio-Hörstationen und kleine Bildschirme. Dort berichten Anna, Janet, Janita-Marja, Richi und Susanne über ihr Leben auf der Straße. In den kurzen Sequenzen sprechen die Frauen über ihren sehr individuellen Umgang mit ihrer Situation.

Da ist etwa Susanne, die einmal gut verdient hat und nach einer Zwangsräumung plötzlich auf der Straße stand. „Das geht schneller, als man denkt“, musste sie erfahren. Dabei legt sie weiterhin Wert auf ein gepflegtes Äußeres. „Niemand denkt, dass ich wohnungslos bin“, betont sie.

„Wer auf der Straße lebt, ist nicht schwach“

Janet wiederum hat nach längerer Wohnungslosigkeit in einer der jahrelang leerstehenden und mittlerweile von ehemals Obdachlosen besetzten Wohnungen der Habersaathstraße 40–48 wieder ein Dach über dem Kopf gefunden, wie sie voller Stolz berichtet.

Doch der Kampf um den Häuserkomplex in Mitte ist noch nicht entschieden. Der Eigentümer strebt nach wie vor eine Räumung und einen Abriss an, um stattdessen teure Lofts zu bauen. Die kleine Ausstellung lässt Frauen zu Wort kommen, die dort dann bestimmt nicht mehr leben können.

Ein besonderes Plus der Exposition ist, dass sie das Leben auf der Straße nicht verklärt. So berichten mehrere Frauen über Gewalterfahrungen, die sie dort erleben mussten. Aber sie alle sehen sich nicht als Opfer. „Wer auf der Straße lebt, ist nicht schwach“, betont Anna. Es gehöre vielmehr besondere Stärke und Ausdauer dazu, unter widrigen Bedingungen zu leben.

Gerade das Publikum im Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss kann in der Ausstellung, die noch bis Ende März 2025 zu sehen ist, Einblicke in den Alltag von Menschen bekommen, die ihnen oft fremd sind, obwohl sie „mitten unter uns“ leben, wie der Titel so treffend formuliert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.