Neues Sparpaket in Griechenland: 15.000 Staatsdiener bald arbeitslos
Im Eilverfahren billigt das Parlament einen weiteren Stellenabbau im öffentlichen Dienst und verlängert die Grundbesitzsteuer. Der Protest dagegen blieb friedlich.
ATHEN afp | Das Parlament in Athen hat am Sonntagabend nach heftiger Debatte ein Kürzungspaket für den öffentlichen Dienst sowie weitere Sparmaßnahmen gebilligt. Der Plan sieht die Entlassung von 15.000 Beamten bis Ende 2014 vor, 4.000 Stellen sollen noch in diesem Jahr gestrichen werden. Vor dem Parlament kam es zu Protesten gegen die Kürzungen.
Angenommen wurde das Gesetz von 168 Abgeordneten, 123 Parlamentarier stimmten dagegen. Es gab eine Enthaltung. Die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras verfügt über eine sichere Mehrheit im Parlament. Es war daher damit gerechnet worden, dass die von den internationalen Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen angenommen werden. Die Maßnahmen sind Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Kredite in Höhe von 8,8 Milliarden Euro seitens der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF).
Das am Sonntag angenommene Gesetz sieht außerdem die Verlängerung einer umstrittenen Grundbesitzsteuer vor, die 2011 eingeführt worden war und nun in reduzierter Form weitergeführt wird. Gesenkt wurde sie um 15 Prozent. Außerdem wurden die Wochenarbeitszeit für Lehrer verlängert und der Zugang zu mehreren Berufen geöffnet.
„Entlasst die Regierung"
Rund 800 Menschen demonstrierten nach Angaben der Polizei vor dem Parlament gegen die neuen Sparmaßnahmen. „Nein zu Entlassungen“ und „Entlasst die Regierung“ war auf Spruchbändern zu lesen. Zu den Protesten hatten unter anderem die griechischen Gewerkschaften Adedy und GSEE aufgerufen. So forderte Adedy Proteste gegen „Politiker, die den öffentlichen Dienst zerlegen und den Wohlfahrtsstaat zerstören“. Die GSEE erklärte, die Kürzungen würden die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland nur weiter verschlimmern. Die Quote liegt derzeit bei 27 Prozent.
Der griechische Finanzminister Giannis Stournaras verteidigte unterdessen die von der Opposition kritisierte angesetzte Dringlichkeitssitzung für die neuen Sparmaßnahmen. Diese sei nötig gewesen, da die Euro-Finanzminister sich bereits am Montag zur Zahlung weiterer Kredite für Griechenland äußern würden. Athen benötige das Geld, „um Gehälter und Renten zu zahlen“.
Dem hoch verschuldeten Land waren seit 2010 von EU, EZB und IWF bereits insgesamt 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden, um eine Staatspleite abzuwenden. Im Gegenzug verpflichtete sich Athen zu drastischen Sparmaßnahmen, darunter im aufgeblähten öffentlichen Sektor.
Leser*innenkommentare
@Faisal
Gast
Wieso? Das läuft doch immer so.
2012: Minister Michalis Chrisochoidis erklärt, die 300 Seiten des allerersten Memorandums überhaupt nicht gelesen zu haben, zudem gab es mehrere Versionen wegen Übersetzungsfehler und weil es auf die Schnelle nicht genug korrupte Übersetzer gab.
http://greekleftreview.wordpress.com/2012/03/27/is-marx-right-wing-in-greece-the-revolution-of-ignorance-and-the-mediation-of-despair-or-what-happens-when-crisis-victims-meet-crisis-experts/
http://www.keeptalkinggreece.com/2013/04/29/greece-moves-forward-15000-lay-offs-minimum-wage-at-e490month-retroactive-property-levy/
Juggernaut
Gast
@ Faisal,
Nun ja, ich habe mir die "hitzige" Debatte live auf dem griechischen Parlamentssender "I Vouli" angesehen. Die Kurzfristigkeit war einer der Hauptgründe für die aufgeheizte Stimmung. Es hagelte Proteste von seiten der Oppositionsparteien, insbesondere von Syriza, der KKE und den "Unabhängigen Griechen", deren Vorsitzender Kammenos sogar seinen Redebeitrag unterbrach und den Saal verließ.
Was Sie als "skandalös" bezeichnen ist im Übrigen die Regel. So wurde den Parlamentariern der (ca.)700 (!) Seiten starke Troika-"Memorandum III"-Text nur einen Tag (!!!) vor der Abstimmung zur Verfügung gestellt, und noch dazu auf englisch. Die Opposition bezeichnete dies als offenen "Putsch".. und musste dennoch zusehen wie der Text durchgewunken wurde, obwohl viele der darin enthaltenen Gesetzesänderungen kaum oder gar nicht mit der griechischen Verfassung vereinbar waren/sind.
@Kurt Schieler: Sie wären mit Ihren Binsenweisheiten an einem texanischen Cowboy-Stammtisch besser aufgehoben. Trollen Sie sich doch bitte zurück zur "Welt". Da werden solche "Meinungen" noch honoriert.
Kurt Schieler
Gast
Weniger Beamte?
Von wegen. Die werden an anderer Stelle wieder eingestellt.
Beamte und Staatsangestellte als Verbraucher von Steuern und Umlagen für Gehälter und Pensionen sind eines der größten Probleme der EU.
Faisal
Gast
Lieber Juggernaut,
vielen Dank für den Hinweis mit der Kurzfristigkeit des Gesetzestextes. Das wäre in der Tat skandalös! Haben Sie hierfür eine Quelle? Habe auf die schnelle leider nichts gefunden.
Danke!
Vassilis Paläokostas
Gast
Völliger Blödsinn und total verlogen, alleine 5,6 MRD von dem Paket gehen dafür drauf zum 20. Mai Staatsanleihen zu bedienen und das Foto plus Spruch ist auch absolut lächerlich out of date, die Zahlen stimmen nicht. Die Arbeitslosigkeit beträgt bereits offiziell 30%, die Zahlen kommen immer 4-6 Monate zu spät - also 30% Ende Dezember! - und insgesamt bekommen 1.3 Millionen auch kein Geld mehr vom Arbeitsamt, das max. 1 Jahr 360 Euro bezahlt, anschliessend und unter Voraussetzungen nochmal 12 Monate 200 Euro, und 35% aller Griechen sind deshalb auch nicht mehr krankenversichert.
Juggernaut
Gast
Vereinbart wurde, neben den Massenentlassungen, nicht weniger als die komplette "Lidl"-isierung der Nation.
Sowohl im Hinblick auf Löhne und Wohneigentum, als auch sprichwörtlich als Dolchstoss für den einst lebhaften und funktionierenden Sektor der Kleinunternehmer und Mittelständler. Der Markt gehört jetzt vollends den großen deutschen Ketten, und zwar ganz ohne echten "Wettbewerb". Die wahre Troika-Agenda ist nur noch mutwillig zu übersehen. Der vollständige Gesetzestext (stapelweise DIN A4) wurde dem griechischen Parlament eine Stunde(!) vor der Abstimmung zugänglich gemacht. So sieht die demokratische EU künftig aus. Eilverfahren allenthalben, am besten an Feiertagen oder während dem Fussballendspiel. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es trotzdem nicht zum Lachen.