Neues Album von Ishmael Butler: Afrofuturismus in schwarzem Loch

Wie im Alter geschmeidig bleiben? Das zeigt US-Rapper Shabazz Palaces mit seinem neuen Album „Robed in Rareness“.

Portraitfoto mit Sonnenbrille , Spiegelung in Scheibe.

Ishmael Butler alias Shabazz Palaces Foto: Stephan Gray

Ishmael Butler muss sich nichts mehr beweisen, seinen Platz in der Geschichte des Hiphop hat er längst sicher. Mit seinem Trio Digable Planets nahm der ­Rapper in New York Mitte der 1990er Jahre zwei visionäre und ge­feierte Hiphop-Alben zwischen Jazz und Funk auf, die schon damals als Meilensteine galten.

Ausgeruht auf diesen frühen Lorbeeren hat sich der 54-Jährige, der heute in Seattle an der US-Westküste lebt, aber nie. Im Gegenteil: Rückblickend war Digable Planets nur eine Episode in seiner musikalischen Laufbahn. Denn die zweite, inzwischen viel länger andauernde Phase seines Schaffens läutete Butler 2009 ein, als er die ersten Stücke seines aktuellen Projekts Shabazz Palaces veröffentlichte. Nun erscheint mit „Robed in Rare­ness“ sein sechstes Album unter diesem Namen beim US-Indie-Label Sub Pop.

Seitdem sich Butler in den neunziger Jahren intensiv mit George Clinton und Sun Ra beschäftigt hat, gehört er zur stetig wachsenden Gemeinde der An­hän­ge­r*in­nen des Afrofuturismus. Vor diesem Hintergrund ist „Robed in Rareness“ so etwas wie die afrofuturistische Version eines Gangsta-Rap-Werks.

Shabazz Palaces: „Robed in Rareness“ (Sub Pop/Cargo)

Butler sieht in „Hustler’s Convention“ (1973) von Lightnin’ Rod ein Vorbild – jenes Album war mit Spoken-Word-Gedichten über zwei Zuhälter, unterlegt mit geschmeidigen Funkriffs von Kool & The Gang, eine Blaupause für den Sound und die Vorstellungswelten von Hiphop. Musik und Texte von Shabazz Palaces allerdings aktualisieren das Geschehen für ein neues Raumfahrtzeitalter.

Sprache wird zu Klang

Eine durchgehende Handlung lässt sich in den sieben Tracks auf „Robed in Rareness“ nicht erkennen, was auch an der Abmischung der Stücke liegt: Der Sprechgesang von Ishmael Butler und seinen Gästen befindet sich häufig auf einer Ebene mit den anderen Instrumenten. Die Stimmen werden mit Effekten zusätzlich verfremdet, wodurch ihr Inhalt zurücktritt und die Sprache zu einem abstrakten Klangelement wird.

„Robed in Rare­ness“ ist mitnichten ein nostalgisch anmutendes Spätwerk

Aufgrund seines Alters gilt Butler zwar als Veteran im schnelllebigen Rap-Geschäft, „Robed in Rareness“ ist jedoch mitnichten ein um sich selbst kreisendes nostalgisch anmutendes Spätwerk. Das liegt auch daran, dass sich Butler bei jedem Track das Mikrofon mit Kollegen teilt. Neben Geechi Suede, einer Hälfte des legendären New Yorker Duos Camp Lo, der aus der Generation von Butler stammt, sind es vor allem jüngere Stimmen, deren Beiträge „Robed in Rareness“ erkennbar in der Gegenwart verankern.

Gleich zum Auftakt wechselt sich Butler in dem Track „Binocu­lars“ mit dem ebenfalls in Seattle wirkenden Royce The Choice ab. Drei tönerne Klänge aus dem Keyboard bilden die spärliche melodische Grundlage, eine Bassdrum und eine klickende Snare markieren einen losen Beat, darüber schlingernd ein Vokalsample. Während Butler flüsternd unterhalb der Oberfläche schleicht, fliegt Royce The Choice mit freien Reimen aus Triolen in Lichtgeschwindigkeit über dem Treiben.

Butler gibt jüngeren Kollegen nicht nur auf seinen eigenen Veröffentlichungen Raum. Dem auch aus Seattle kommenden Porter Roy, der in „P Kicking G“ zu hören ist, hat er einen Vertrag mit seinem Haus-Label Sub Pop verschafft, genau wie dem Frauenduo TheeSatisfaction; das Debüt eines anderen Gast-Rappers, Lavarr the Starr, hat Butler kürzlich auf seinem eigenen Label Glas Cane herausgebracht.

Young Bro

Dass Butler ein Ohr am Puls der Zeit hat, liegt sicherlich auch an dem Austausch mit seinem Sohn Lil Tracy, der selbst eine Karriere als Rapper gestartet hat und sich im Stück „Woke Up in a Dream“ mit dem Vater misst. Kühle Keyboardflächen und ein Bass aus dem Synthesizer dehnen den Beat wie in einem schwarzen Loch, eine Wirkung, die durch Nachhall und Zischlaute im Text von Ishmael Butler verstärkt wird.

Im Sinne der Selbsthuldigung im Gangsta-Rap preist er sich als vom Himmel herabgestiegen („That I’m heaven sent / Well, it’s evident“), um gegen Ende überraschend den Filius als sein Idol einzuführen: „Young Bro Tracy / That’s my idol.“ Der angesprochene Lil Tracy übernimmt schließlich und schickt zum Ende eine halb gesprochene, halb gesungene Erfolgsbotschaft aus einer weit entfernten Galaxie. „Live my life like a movie scene / Riding in a coupé / Money long like limousine.“

In „Robed in Rareness“ besitzt Ishmael Butler die Abgeklärtheit und Souveränität eines Elder Statesman, der weiß, dass in der gezielten Förderung des Nachwuchses die eigene Erneuerung liegt.

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