Nancy Faeser kandidiert in Hessen: Sie pokert hoch

Ohne ihren Posten als Bundesinnenministerin aufzugeben, kandidiert Faeser als Spitzenkandidatin in Hessen. Mit der Zweigleisigkeit geht sie ein doppeltes Risiko ein.

Nancy Faeser schaut skeptisch zur Seite

War die Kandidatur zur Spitzenkandidatin der SPD in Hessen ein taktischer Fehler? Foto: Filip Singer/epa

Persönlich kann man sie ja verstehen. Dass Nancy Faeser das Amt als Bundesinnenministerin nicht aufgeben will, um als Oppositionsführerin nach Hessen zu gehen und damit einen Job zu übernehmen, den sie schon jahrelang innehatte, das ist durchaus nachvollziehbar. Politisch aber ist der Versuch, die Spitzenkandidatur für die hessische SPD zu übernehmen und Ministerin auf Bundesebene zu bleiben, ein schwerer Fehler.

Theoretisch betrachtet ist es vielleicht möglich, beide Aufgaben zu vereinen – in ruhigen Zeiten und wenn das Haus einen trägt. Beides ist nicht der Fall. Das Innenministerium hat ohnehin einen riesigen Zuständigkeitsbereich, in Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind die Herausforderungen aber besonders groß: bei der inneren Sicherheit wie bei der Aufnahme von Geflüchteten.

Auch hat Fae­ser zahlreiche Reformvorhaben angekündigt, besonders wichtig dabei jene zur Einwanderung. Die aber sind eben auch besonders umstritten – und brauchen das ganze Engagement der Ministerin. Zwischen zwei Wahlkampfterminen wird sich das schlecht machen lassen.

Auch wird sich Faeser auf vollständigen Rückhalt aus dem Ministerium nicht verlassen können. Das Haus war 16 Jahre lang in der Hand der Union, zahlreiche Be­am­t*in­nen wird es kaum stören, wenn die Sozialdemokratin an der Spitze ins Straucheln gerät.

Wenn sie den Posten will, muss sie Vollgas geben

Wegen der Herausforderungen in Berlin aber wird Faeser nicht voll in den Wahlkampf einsteigen können – das aber dürfte es brauchen, wenn die SPD in Hessen Schwarz-Grün ablösen will. Dass Faeser sich nicht auf Hessen festlegen will, werden ihre Kontrahenten zudem genüsslich ausschlachten – und ihr mal fehlendes Engagement für das Bundesland vorwerfen, mal unterstellen, das Ministerinnenamt als Sprungbrett zu missbrauchen.

Dabei können sie auf Norbert Röttgen verweisen. Der trat 2012 als CDU-Spitzenkandidat in NRW an und hielt sich für den Fall einer Niederlage den Verbleib als Bundesumweltminister in Berlin offen – was mit zum Scheitern führte. Am Ende war Röttgen auch noch das Ministeramt los, Angela Merkel schmiss ihn aus dem Kabinett.

Das zumindest droht Faeser nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz hat seiner Ministerin offensichtlich grünes Licht für das gewagte Manöver gegeben. Ein Fehler, der zeigt, wie prekär die Personallage der SPD ist – Alternativen zu Faeser scheint es weder in Berlin noch in Wiesbaden zu geben. Am Ende könnten die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen in Hessen in der Opposition bleiben und Faeser, abgekämpft durch die Doppelbelastung und geschwächt durch Niederlage und etwaige Fehler im Ministerium, angeschlagen in Scholz’ Kabinett bleiben. Für die SPD sind das keine guten Aussichten.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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