Massenproteste in Bangkok: „Der Shinawatra-Clan soll abhauen“

In Thailand haben Tausende Oppositionelle mehrere Ministerien gestürmt. Sie fordern den Rücktritt der jetzigen Regierung.

Demonstranten besetzen das Finanzministerium in Bangkok. Bild: dpa

BANGKOK taz | Die Straße vor dem Hauptquartier der Royal Thai Police ist dicht: Dafür sorgt ein riesiger Pulk bunt gekleideter Demonstranten. Sie schwenken Nationalfahnen und blasen Trillerpfeifen: Mit ohrenbetäubendem Lärm gehen sie zu Zehntausenden über ganz Bangkok verstreut die Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra an. Je hunderte von ihnen stürmten bereits am Montag das Finanz- und das Außenministerium.

Für Dienstag droht Protestanführer Suthep Thaugsuban, bis vor Kurzem noch Parlamentsabgeordneter der oppositionellen Demokratischen Partei, mit der Besetzung aller Ministerien. So soll die Regierung von Yingluck, Schwester des 2006 vom Militär gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra, zum Rücktritt gezwungen werden.

„Der ganze Shinawatra-Clan soll abhauen“, ruft ein Demonstrant stellvertretend für die Massen, wohlweislich ignorierend, dass sowohl Yingluck als auch einst deren Bruder demokratisch gewählt wurden: „Das sind die korruptesten Politiker überhaupt. Denn schließlich hat Thaksin genug Geld, um sich immer wieder die Mehrheit der Wählerstimmen zu erkaufen.“

Ausgerechnet am Denkmal der Demokratie, an dem sich Sonntagabend bis zu 150.000 Regierungsgegner versammelt hatten, schlägt eine Rednerin vor, Thaksin solle seine Anhänger gleich zu sich ins Exil holen.

Umstrittenes Amnestiegesetz

Thailand erlebt jetzt die größten Proteste seit dem Frühjahr 2010, als die sogenannten Rothemden, mehrheitlich Anhänger Thaksins, demokratische Neuwahlen gefordert hatten.

Ausgelöst hat die jetzigen Massenproteste ein von der Regierung in einer nächtlichen Marathonsitzung am 1. November durchs Parlament gedrücktes Gesetz für eine Generalamnestie. Der ursprüngliche Entwurf hatte lediglich vorgesehen, alle zu amnestieren, die im Zuge der politischen Konflikte seit dem Militärputsch 2006 wegen vergleichsweise geringfügiger Vergehen angeklagt oder verurteilt worden waren. Doch dieser Entwurf wurde nachträglich so verändert, dass auch die für die Gewalt auf Bangkoks Straßen 2010 Verantwortlichen und Befehlshaber ungeschoren davonkommen sollten.

Das hätte bedeutet, dass sowohl der frühere Regierungschef und heutige Oppositionsführer, Abhisit Vejjajiva und dessen damaliger Vize Suthep Thaugsuban, die im April und Mai 2010 mutmaßlich den Schießbefehl auf protestierende Thaksin-Anhänger gaben, wie auch führende Militärs straffrei ausgegangen wären. Doch zugleich hätte auch der wegen Korruption verurteilte und im Exil lebende Expremier Thaksin legal in die Heimat zurückkehren können. Doch dies lehnten sowohl die Oppositionsführer als auch die Armeeführung ab, die Thaksin weggeputscht hatte.

Der Hass hat sich neu entzündet

Schnell wurde klar: Vielen Demonstranten ging es jetzt nicht mehr nur um das Amnestiegesetz, sondern darum, „den Sturz der Yingluck-Regierung herbeizuführen und das gesamte Thaksin-Regime auszurotten“. Keinesfalls hätte die regierende Partei Puea Thai unter Yingluck diese Amnestie, die selbst bei eigenen Unterstützern für Unmut sorgte, durchdrücken dürfen.

An der Amnestiefrage hat sich der schwelende Hass nun neu entzündet. Er ist zugleich Ausdruck einer tiefen Frustration des oppositionellen Lagers, allen voran der Demokratischen Partei. Denn die musste sich sich bei demokratische Wahlen wiederholt dem Thaksin-Lager geschlagen geben.

Daher versucht die Opposition, diesen Konflikt, den sie maßgeblich mit angefacht hat, für sich auszunutzen. Doch Yingluck hat erklärt, sie werde nicht zurücktreten.

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