Linksparteitag in Augsburg: Kein einfacher Neuanfang

Für die neue Linkspartei ohne Wagenknecht wird der bloße Rückgriff auf das alte Grundsatzprogramm nicht reichen – gerade mit Blick auf Russland.

Janine Wissler und Martin Schirdewan, Vorsitzende der Partei Die Linke, auf einer Bühne.

Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan beim Parteitag in Augsburg Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Dass mit dem Abgang von Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang eine neue Zeitrechnung begonnen hat, will die Linke auch optisch demonstrieren. Auf ihrem Parteitag in Augsburg präsentiert sie sich mit neuem Logo. Es habe eine „neue Schärfe“ und eine „nonkonforme Schräge“, wird es von der Partei angepriesen. Vor allem ist es nicht mehr schwarz-weiß mit nur einem kleinen keilförmigen roten Tupfer als i-Punkt.

Die Farbe Rot ist jetzt vielmehr dominant. Das Logo werde so „zum wehenden Banner“, schwärmt die Parteiführung. Bei dem dreitägigen Event in der Bert-Brecht-Stadt geht es vor allem darum, möglichst starke Zeichen zu setzen: dass die Linke noch da ist – und dass sie an ihre Zukunft glaubt.

Viel ist unter den mehr als 500 Delegierten von Aufbruch und Neuanfang die Rede. Die Abspaltung von Wagenknecht & Co. scheint bei der überwiegenden Mehrzahl der Verbliebenen vor allem für große Erleichterung zu sorgen, weil damit die systematische Zerstörung der Linken von innen heraus nun endlich vorbei ist. Doch auch wenn die Partei derzeit etwa doppelt so viele Eintritte wie Austritte verzeichnet, wäre es ein gefährlicher Selbstbetrug zu glauben, sie habe ihre Existenzkrise bereits überwunden. Der Parteitag ist vielmehr nur eine Etappe auf einem Weg, von dem noch unklar ist, wohin er führen wird.

Der quälend lange Trennungsprozess hat tiefe Spuren hinterlassen, die nicht so einfach zu beseitigen sind. Zumal ja mit dem Abschied der „Linkskonservativen“ die Linke – zum Glück – keine stromlinienförmige Partei geworden ist. Weiterhin bestehen große soziokulturelle Unterschiede zwischen Ost und West, jüngeren und älteren Mitgliedern; parlamentarisch fixierten Politikvorstellungen stehen mehr bewegungsorientierte Ansätze gegenüber; sozialdemokratische Re­for­me­r:in­nen tummeln sich Seit’ an Seit’ mit traditionslinken Ge­werk­schaf­te­r:in­nen und Ökosozialist:innen. Besinnen sie sich auf das Gemeinsame, um das Trennende aushaltbar, vielleicht sogar produktiv zu machen? Wird es gelingen, eine solidarische Diskussionskultur zu entwickeln, die den Anspruch, eine pluralistische linke Partei zu sein, auch praktisch einlöst?

Das ist genau so offen wie die Frage, ob es zu mehr reichen wird, als sich auf wenig überzeugende Formelkompromisse zu verständigen, wie das in der Vergangenheit üblich war. Schon gar nicht reicht der bloße Rückgriff auf das alte Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2011, denn da findet sich beispielsweise keine Antwort darauf, was in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine linke Friedenspolitik sein kann, sein muss. Ausreichend Platz für eine linke Partei auf der Höhe der Zeit, eine mit Strahlkraft, gibt es, die Nach-Wagenknecht-Linke muss ihn nur noch finden.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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