Kommentar Hartz-IV-Sanktionen: Abmildern ja, abschaffen nein

Besondere Strafen für jüngere Hartz-IV-Empfänger gehören gestrichen. Alle Sanktionen zu streichen wäre aber nicht sinnvoll.

Hinweisschild auf eine Hartz-IV-Betratung in Berlin -NeuköllnBeratungssc

Hinweis auf eine Hartz-IV-Betratung in Berlin-Neukölln Foto: reuters

Es ist der Albtraum für so manche Sozialpolitiker: Der junge Mensch aus einem sogenannten sozialen Brennpunkt, vielleicht Berlin-Neukölln, der auf die Frage nach seiner beruflichen Zukunft vor laufender Kamera antwortet: „Ich werde Hartz IV.“ Der Albtraum war vor einigen Jahren so bedrückend, dass man in Deutschland die Sanktionen für jüngere EmpfängerInnen von Hartz IV verschärfte.

Wer als Mensch unter 25 Jahren im Hartz-IV-Bezug eine Berufsbildungsmaßnahme ohne Grund einfach abbricht, dem kann die Regelleistung sofort gekürzt werden, im Wiederholungsfall fällt sogar die ganze Leistung inklusive der Mietkosten weg. Bei älteren EmpfängerInnen erfolgt diese Kürzung hingegen in kleineren Schritten.

Die stärkere Sanktionierung ist ein Teil der Disziplinierungspakete der Jobcenter. Dazu gehört auch eine vielfältige Latte an Berufsbildungsmaßnahmen, in die man junge Menschen steckt, so dass nur ja niemand auf die Idee kommt, sich an den Hartz-IV-Bezug zu gewöhnen. Dieser Disziplinierungsgedanke für Jüngere hat allerdings mit der Praxis oft wenig zu tun.

In Berlin beispielsweise hatten die Sanktionen zur Folge, dass viele junge Leute abtauchten, sich beim Jobcenter nicht mehr meldeten, vielleicht sogar obdachlos wurden und als junge Bettler mit Psychoknacks und Suchtproblemen vor den U-Bahnhöfen landeten. Hauptsache, man hat Ruhe vor den Behörden.

Die Forderung ist daher richtig, wieder zurückzurudern: Die schärferen Sanktionen müssen gestrichen und nur noch einheitliche Sanktionen für alle Altersgruppen festgelegt werden, wie es heute die Bundesarbeitsagentur selbst fordert. Grundsätzlich alle Kürzungen für Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen, die jede Mitwirkung ablehnen, wie es die Linke etwa vorschlägt, wäre äußerst fragwürdig.

Hartz IV würde damit zu einer Art Grundeinkommen ohne jede Gegenleistung. Die Spaltung zwischen SteuerzahlerInnen, die Hartz IV finanzieren, und den Leistungsempfängern würde sich vertiefen. Das Verhetzungspotenzial ist groß. Es wäre einfach keine gute Idee.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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