Interview von Kardinal Marx: Verächtlich und weltfremd

Kardinal Marx bringt Sexualität und unterschiedliche Lebensentwürfe in einen unzulässigen Zusammenhang – was für eine diffuse Sicht auf das Leben.

Kardinal Marx im Bischofsgewand

Kardinal Marx stellt das Pflichtzölibat in Frage Foto: Ulmer/imago

Der Pflichtzölibat als priesterliche Lebensform ist „prekär“. So zumindest formulierte es Kardinal Reinhard Marx gerade in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Damit stellt der Münchner Erzbischof eine grundlegende Standespflicht für katholische Geistliche infrage und gilt vielen allein für diese Aussage als Reformer der katholischen Kirche. Aber greift Marx tatsächlich die Kirche in ihren Grundfesten an und wirft katholische Gesetze über Bord?

Marx’ vermeintlich klare Positionierung lässt das auf den ersten Blick vermuten. Der zweite Blick sagt etwas anderes: Sein Vorstoß ist vielmehr aus der Not heraus geboren als glaubwürdig mit dem Bestreben versehen, mittelalterliche Regeln zu brechen und die Kirche dem Leben anzupassen.

Der Kirche laufen nicht nur die Gläubigen weg – allein 2020 traten über 221.000 Ka­tho­li­k:in­nen aus der Kirche aus – es wollen auch immer weniger Männer Priester sein. Was Marx vor zwei Jahren zu der „Erkenntnis“ brachte, dass der Zölibat in Gegenden mit Priestermangel aufgehoben werden könnte.

Deutlicher konnte ein hoher Kirchenvertreter das Desaster seiner Glaubenseinrichtung gar nicht beschreiben: Wir lockern (verbal) da, wo wir keine Macht mehr über Menschen, ihr Leben und ihr Denken haben. Aber nur ein ganz klein bisschen, sodass Rom nicht mosern kann. Doch so weit, dass an der Basis als Botschaft ankommt: Wir wollen uns verändern, bitte bleibt bei uns!

Wer aber bleibt Mitglied dieser Institution, wenn jemand wie Marx Sätze sagt wie: „Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären.“ Was für eine diffuse Sicht auf Ehe, Liebe, das Leben an sich.

Marx bringt Sexualität und unterschiedliche Lebensentwürfe in einen unzulässigen Zusammenhang, etwa so: Unverheiratete sind einsam und leben schlecht, Sex gibt es nur in der Ehe. Für Marx gehört offen gelebte Liebe nicht nur vertraglich besiegelt, er will Priester zudem in ein neues Korsett zwängen: die Ehe. Das ist so verächtlich wie weltfremd.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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