Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“: Redaktionsschluss

Nach der Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ wird nach einem Käufer gesucht. Ein Redakteur und ein Leser erzählen von besseren Zeiten.

Ist das, was gerettet werden soll, überhaupt noch die „Rundschau“? Bild: dapd

FRANKFURT/M. taz | Sie haben so viele Abschiedsfeste gefeiert, dass sie es irgendwann einfach nicht mehr aushielten. „Mein Fest war wohl das letzte einigermaßen lustige“, sagt Herbert Fritz, „danach war es nur noch traurig.“ Fritz war über drei Jahrzehnte Redakteur bei der Frankfurter Rundschau. Er hat lange, wellige Haare und einen grauen Bart. Wirkt wie ein klassischer Sponti und ist immer noch einer.

Die meiste Zeit machte er zusammen mit einer Kollegin den Reiseteil. Einen der renommiertesten der Republik, wie er sagt. Bis Chefredakteur Uwe Vorkötter ihm 2007 sagte, die Reise source man ab sofort out; das übernehme Raufeld Media in Berlin. Eine neue Sparrunde war angesagt. Das sei einfach billiger.

Und ich, fragte Fritz.

Kein Problem, sagte Vorkötter.

Ab da machte er Vermischtes.

Letztes Jahr wurden dann die überregionalen Ressorts zur Berliner Zeitung outgesourct und er dachte: Jetzt muss ich weg. Im April ging er. Abfindung und Umstände waren eigentlich ganz okay, aber den Tritt in den Arsch hatte er ja schon vier Jahre vorher bekommen. Jetzt sitzt er auf seinem Sofa, zu Hause in Preungesheim, das ist ganz im Norden von Frankfurt. Er sagt immer noch „wir“, wenn er von der Rundschau spricht. Er sagt: „Es ist immer noch eine gute Zeitung, eine Zeitung, die es wert ist, sie zu erhalten“. Aber, er sagt auch: „Es ist halt nicht mehr unsere Rundschau.“ Diese Ansicht hat er nicht exklusiv.

Ein bisschen wie Lungenkrebs

Die Frankfurter Rundschau war das Blatt der 68er-Revolte und der darauf folgenden soziallliberalen Jahre der Bundesrepublik. Nun ist sie ist die erste Überregionale in Deutschland, die Insolvenz angemeldet hat. Bei der Rezeption ihres drohenden Endes ist es ein bisschen wie beim Lungenkrebs eines Bekannten.

War er Raucher?

Ja.

Na, dann.

Fast alle Zeitungsverlage und die meisten Journalisten haben die gewaltige Wucht der Digitalisierung und ihre Auswirkung auf Leseverhalten, Anzeigenmärkte und das Erlösmodell von Journalismus lange oder immer noch nicht erkannt. Insofern suchen speziell Medienleute nun Gründe, die das Ende von FTD und Rundschau erklären. Man sucht Fehler, die man selbst nicht gemacht hat. Weshalb es einen auch nicht treffen wird. Zum Beispiel hat die Rundschau als einzige überregionale Zeitung ihr armbreites nordisches Format auf das heftartige, kleine Tabloid umgestellt.

Ha! Na, dann.

Viele Käufer verloren

Das war aber nicht die Krankheit, sondern längst ein Therapieversuch. Der alles noch schlimmer gemacht hat? Sieht so aus, denn die Rundschau hat – anders als die überregionale Konkurrenz – zuletzt auch gewaltig an Käufern verloren. Im dritten Quartal 2012 ist die offizielle Auflage 117.000. Wirklich verkauft worden sind 81.700 Exemplare, ePaper inklusive. Allein seit dem Einstieg des DuMont Verlages 2006 hat man 30.000 Käufer verloren, also mehr als ein Viertel.

Für den Leser Heinz Bude war vor fünf Jahren Schluss. Der Berliner Soziologieprofessor hat rheinischen Arbeiterhintergrund und für den SPD-Kanzler Schröder die Berliner Republik entworfen, eigentlich müsste er doch...? „Die Rundschau hat sich erübrigt als gesellschaftliche Informationsquelle über die Bundesrepublik“, sagt er.

„Beschwerdementalität“

Bude sagt auch Nettes, doch in der Analyse ist er hart: die Informationen über jene Milieus, die er sich früher in der Rundschau holte, kriege er heute anderswo, das „wahlentscheidende sozialdemokratische Milieu, Schröders Neue Mitte, kommt in der Rundschau seit zehn Jahren nicht mehr vor“. Was die IG Metall denke, erfahre er auch nicht. Und dann sei da dieser „Beschwerdeton“, die „Beschwerdementalität.“

In der veränderten gesellschaftlichen und medialen Situation hilft nur ein eine klare Vorstellung, wie man trotz der verschwundenen Anzeigenmärkte Geld verdient. Die habe es aber in der Geschäftsführung der Rundschau nie gegeben sagt ein Redakteur, genauso wenig wie eine gesellschaftspolitische Idee in der Chefredaktion, wie diese Zeitung im 21. Jahrhundert auszusehen hatte. „Es ging nur um Kostenvermeidung“. Ab der Jahrtausendwende wurde einiges probiert, aber vor allem gespart, entlassen und umgezogen.

Wo einst das schöne Rundschau-Haus stand, ist heute die Zufahrt für eine Tiefgarage. Ist das nicht symbolisch?

Die ganze Geschichte darüber, was die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ für den Menschen und seine Zeitung bedeutet, lesen Sie in der sonntaz vom 1./2. Dezember 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

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