Herberge für Kriegsflüchtlinge: Hotels statt Turnhallen

In Hamburg suchen 12.000 Ukrainer schutz. Stadt stellt Notbetten in leerem Fegro-Markt auf. Hotels stellten 700 Zimmer bereit, bisher kostenfrei.

Mehrere Menschen mit Transparent stehen vor der Hamburger Finanzbehörde

Thema auch schon vor anderthalb Jahren: Demonstranten fordern Hotelunterbringung Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Menschen aus Fluchtgebieten schlafen in Hallen. Dahin wollte man eigentlich nicht wieder kommen. In einem ehemaligen Fegro-Markt in Hamburg-Harburg stellten Ehrenamtliche des Roten Kreuzes 600 Feldbetten für geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine auf. Außerdem stattete die Stadt am Wochenende fünf Turnhallen mit je 150 Feldbetten aus. In Hamburgs Messehallen sind bereits seit einer Woche Mütter und Kinder untergebracht.

Die Helferin Tatjana Sosin hatte vor einer Woche 120 Geflüchtete in einem Doppeldeckerbus nach Hamburg gebracht und in der taz davor gewarnt, dass diese Art der Unterbringung die Menschen traumatisiere. Sie hat selbst Wurzeln in der Ukraine und brachte Eine Mutter, die sie begleitete zog es tatsächlich vor, Hamburg zu verlassen und in Polen bei Bekannten unterzukommen.

Eine zweite Familie sei aber in der Messehalle geblieben. „Die ist relativ zufrieden“, sagt Sosin. „Sie hat dort ein eigenes Abteil bekommen, auch gibt es Waschmaschinen und Trockner, das Essen ist gut.“

Der Zustrom an Geflüchteten hat ein historisches Ausmaß und ist derzeit stärker als 2015. Darauf wies Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) auf der Landespressekonferenz hin. Man habe inzwischen 12.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Stadt, von denen etwa die Hälfte registriert seien. Um lange Wartezeiten zu verkürzen, soll für Ankunftsregistrierung bis zum Wochenende eine „Online-Terminbuchung“ möglich sein. Berlin und Hamburg seien die Städte, die am häufigsten angesteuert werden.

Kostenerstattung für Hotels unklar

„Die Hallen werden wieder belegt. Es geht nicht anders. Ich mache niemandem einen Vorwurf“, sagt Simone Will von der Gruppe „Kids Welcome“, die seit sieben Jahren Kinder in Unterkünften betreut. Die Organisation verteilt Willkommenstüten mit Malstiften für die Kinder am Hauptbahnhof und will ab Donnertag ein Kinderprogramm in der Messehalle anbieten. Das Rote Kreuz Altona-Mitte, das die Unterkunft in den Messehallen betreibt, sei bemüht, das Beste draus zu machen. „Es stehen im Essraum sogar Blumen auf dem Tisch.“

Die Stadt hatte zur Hochzeit des Flüchtlingszustroms um 2016 rund 37.000 Plätze, die später wieder abgebaut wurden. Grote sagte, die Stadt gebe sich alle Mühe. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Ukraine-Krieges habe es rund 30.000 Unterkunftsplätze gegeben. Seither habe man diese Zahl auf rund 35.000 erhöht. Etwa 2.500 ukrainische Flüchtlinge lebten in öffentlichen Unterkünften, zwischen 3.000 und 3.500 in besagten Notunterkünften.

„Wir würden diese Zahl gern reduzieren“, sagte Grote. Knapp 700 Menschen wurden bereits auf andere Bundesländer verteilt. 434 seien noch vor ihrer Registrierung in einer Art Nachbarhilfe von Schleswig-Holstein, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen worden. 252 habe man nach ihrer Registrierung nach „Königsteiner Schlüssel“ umverteilt.

Um die Not zu lindern, ist die Stadt nun auf die Hotelbranche zugegangen. Wie der NDR am Freitag berichtete, erhielten hunderte Hoteliers von der städtischen Hamburg-Tourismus-Gesellschaft (HHT) und dem Branchenverband Dehoga eine Mail, ob sie kurzfristig Zimmer zur Verfügung stellen könnten, kostenfrei für ein paar Nächte. Die Stadt wäre auch bereit, dafür zu zahlen. Dafür müssten aber die Hoteliers ihr ganzes Haus oder mindestens 30 Zimmer für ein halbes Jahr bereit halten.

Viel Solidarität von Hotels

Laut HHT-Sprecher Sascha Albertsen hatten bis Freitag 20 Hotels mehr als 700 Zimmer zur Verfügung gestellt. „Die Solidarität in der Hotelbranche ist groß“, sagte Albertsen. Doch wie das Hamburger Abendblatt berichtete, gab es in der Hotelbranche Irritationen über die Konditionen, klingt es doch nicht gerecht, wenn nur große Hotels Geld bekommen.

Dehoga-Vizepräsident Nikolaus Kaiser von Rosenburg sagte laut Abendblatt, die Hotels bräuchten zumindest eine Pauschale für die Verköstigung der Menschen. Gegenüber der taz wollte sich die Dehoga zu der Sache nicht äußern, das sei „Unternehmensentscheidung“.

Auf Nachfrage teilte die Innenbehörde mit, komplette Hotels seien noch nicht angemietet worden, sondern nur einzelne Zimmer. „Den Hotels werden die Kosten für die Zimmer und etwaige Verpflegung erstattet“, sagte Florian Abbenseth. Ob dies tatsächlich aber erst ab einem Kontingent von 30 Zimmer gelten soll, konnte er am Montag nicht abschließend auflösen. Zudem habe man zumindest die Turnhallen am ersten Tag noch nicht nutzen müssen. Sie seien ohnehin nur als „Zwischenunterbringung“ gedacht.

Förderung für Privatvermieter?

Die Linke mahnte am Montag, es sei Hamburgs Pflicht, alle Geflüchteten, nicht nur die mit ukrainischem Pass, „schnell und menschenwürdig“ unterzubringen. Feldbetten in einer Turnhalle seien „ganz sicher nur eine Notlösung“, sagte Fraktions-Vize David Stoop. Hamburg müsse alle Möglichkeiten prüfen. So brauche man von der städtischen Saga einen „transparenten Überblick“ über deren leere Wohnungen.

Und neben der Unterbringung in Hotels könnte Stoop sich auch „die finanzielle Förderung privat bereitgestellten Wohnraums“ vorstellen. Dabei spielt der Abgeordnete auf Großbrittannien an. Dort erhalten Bürger für jedes Zimmer, das sie an Ukrainer vermieten, 350 Pfund.

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