Hartz IV und Arbeitslosigkeit: 700 Millionen Euro Mehrkosten
Immer mehr Neu-Arbeitslose sind unzureichend abgesichert und brauchen zusätzlich Unterstützung. Die Kosten für Hartz IV sind zudem stark gestiegen.
BERLIN dpa | Fast jeder vierte Neu-Arbeitslose in Deutschland ist wegen unzureichender Absicherung von Anfang an auf Unterstützung durch Hartz IV angewiesen. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) betraf dies voriges Jahr 23,3 Prozent der 2,74 Millionen neu gemeldeten Arbeitslosen. Das berichtete die Chemnitzer Freie Presse unter Berufung auf Angaben der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann. 2008 hätten bundesweit 21,5 Prozent der Neu-Arbeitslosen Hartz IV bezogen.
Das höchste Risiko tragen demnach offenbar Leiharbeiter: Mehr als jeder Dritte (36,4 Prozent), der gerade den Job in einer Zeitarbeitsfirma verloren hatte, war 2012 gleich auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. „In immer mehr Fällen greift das Sicherungssystem der Arbeitslosenversicherung nicht mehr“, kritisierte Zimmermann, die die Statistik angefordert hatte.
Für die Hartz-IV-Quote unter Neu-Arbeitslosen gibt es dem Bericht zufolge zwei Erklärungen: Entweder hat der Betreffende innerhalb der vorangegangenen zwei Jahre nicht zwölf Monate lang Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Oder aber der erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld I lag unterhalb der Hartz-IV-Bedürftigkeit, weshalb er ergänzende Leistungen der Grundsicherung benötigt.
Die Kosten für Hartz IV steigen derweil dieses Jahr stärker als erwartet, berichtet die Bild-Zeitung. Demnach muss das Finanzministerium eine außerplanmäßige Ausgabe von 700 Millionen Euro bewilligen, um die unerwartet hohen Hartz-IV-Kosten zu decken. Nach dem Bericht hat das Ministerium die Zusatzausgabe mit „der wenig günstigen Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften“ begründet.
Die Bundesregierung hatte bei der Haushaltsaufstellung erwartet, dass die Zahl der Hartz-IV- Haushalte wegen guter Konjunktur weiter sinkt. Tatsächlich lag sie aber nach der BA-Statistik Ende Oktober bei rund 3,28 Millionen. Nach den bisherigen Haushaltsplänen sollte der Bund dieses Jahr rund 32 Milliarden Euro für Hartz IV ausgeben.
Leser*innenkommentare
thinktwice
Gast
So eine Überraschung schon wieder. Da muß für ALGII doch tiefer in die Tasche gegriffen werden und das obwohl die Reform den Druck auf die Arbeitslosen erhöhen sollte (böse Zungen könnten behaupten in jede Beschäftigung zwingen)Und nun das. Skandal! Wer hätte auch ahnen können, dass es neben den Arbeitslosen plötzlich reihenweise Leute geben wird, die mit Mini- Midi und anderen Low-Budget Jobs zwar arbeiten, aber trotzdem auf Sozialleistungen angewiesen sind? Da können wir nur hoffen, dass die europäischen Nachbarn nicht auch noch ein Verfahren wegen verdeckter Wirtschaftssubvention im großen Stil einleiten.
HIGHSEIN
Gast
"Die Kosten für Hartz IV steigen derweil dieses Jahr stärker als erwartet [..]"
...na dann wartet mal nächstes Jahr ab, wenn Süd-Ost-Europa dazukommt...
Triz
Gast
Ich mag die Taz echt super gerne, aber warum müsst ihr euch in dem Artikel grade auf die Bild, was nebenbei keine Zeitung ist, berufen?
reblek
Gast
"Hartz IV und Arbeitslosigkeit" - Worum es in diesem Text geht, ist "Arbeitslosengeld II", kurz Alg II. Aber auch die taz kann nicht aufhören, ein Sozialgesetz dieses Landes nach einem verurteilten Straftäter zu benennen.
FranzK
Gast
Bitte keine negativen Beiträge zu Hartz IV. Alles Lüge, in Deutschland herrscht doch Vollbeschäftigung und wenn man dann so voll beschäftig ist und einen Hungerlohn verdient ist man doch selber Schuld. Danke Rot-Grün, ihr Pharisäer.
sd
Gast
Vielleicht fliegen ja die Statistiklügen doch mal auf.
Klarsteller
Gast
Wer ausser vernebelnden Zahlen weitere Infos will:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/bundesagentur-fuer-arbeit-jeder-dritte-arbeitslose-hat-auslaendische-wurzeln-12677000.html
Karla
Gast
@Klarsteller Unsere "Fachkräfte aus dem Ausland" sind offenbar doch nicht so sehr nachgefragt.
Arne
Gast
Naja, ob der Satz "Während Arbeitslose ohne Migrationshintergrund eher älter und besonders stark in der Altersklasse 45 bis 55 Jahre vertreten sind..." irgendwelche konkreten Informationen über die Situation der Arbeitnehmer dieser Altersklasse enthält, wage ich mal zu bezweifeln. Zumindest zeigt er, dass dies die Personengruppe ist, auf die die CDUCSUFDP-Regierung ebensowenig wert legt wie auf Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund.
Wahrscheinlich müssen sich diese beide Gruppen miteinander solidarisieren, um gegen die heutige Arbeitsmarktpolitik vorzugehen.
Hanne
Interessant wäre ja, wie viele "Bedarfsgemeinschaften" sprich Haushalte es insgesamt in Deutschland gibt.
Wenn ich richtig gerechnet habe, erhält eine (anerkannte bedürftige) BG im Durchschnitt ca. 813 € im Monat.
Betrifft es mehr Singles, Paare oder Familien mit mehreren Familienmitgliedern? Wieviel Millionen Menschen sind das denn in Deutschland, die Anspruch auf ALG II haben und ihn auch einfordern?
Bei durchschnittlich 2 Personen in der BG wären es schon mehr als 6,5 Millionen Einwohner/innen (von ca. 80,5 Mio.) in Deutschland. Das wären dann schon mehr als 8% der Gesamtbevölkerung...
Realist
Gast
2 Sec. Inet-Recherche
Google>Haushalte Deutschland>etwas über 40 Mio
Aber einfacher die Zahl ALGII-Empfänger hat man in 1 Minute zusammen knapp über 6 Mio darin sind aber auch Kinder und Aufstocker enthalten.
Das gesamte Zahlenwerk sieht überschlägig so aus:
Menschen in existenzsichernden Sozialleistungen (Grundsicherung,EU-Renten-Aufstocker) knapp über 7 Mio davon knapp über 6 Mio in ALG II davon 4,3 aus der Schule raus was wichtig ist da jeder ab 15 als erwerbsfähig gilt. Von den 4,3 Mio sind 1,3 Aufstocker davon wiederum knappe 400k in Vollzeit.
Dazu kommen noch knappe 900k AlGI-Empfänger. Von den ALGIern werden die wenigsten in Maßnahmen versteckt da ist das Schönrechnen vernachlässigbar. Aber effektiv liegen die Arbeitslosenzahlen, etwa 1 Mio ohne und 2,3 Mio mit den Aufstockern, über der "offiziellen Zahl" war aber schon vor 2005 so.
Mentor
Gast
Nur 32 Mrd. € dieses Jahr für HARTZ IV.
Aber 200 Mrd. € für die Rettung vieler Banken (HRE, WestLB, CO-Bank usw.) ...
35 Mrd. entgangene Steuern, wegen Personalmangel und noch einmal ca. 45 Mrd. € durch Steuerhinterziehung... Macht weiter so...
sonne
Gast
@Mentor Weiß gar nicht, warum die sich wundern über die gestiegene Zahl von Alg II-Empfängern. Schließlich werden immer mehr Leute in immer schlechter bezahlte und befristete Arbeitsverhältnisse gezwungen-haben die ernsthaft erwartet, dass die Rechnung da lange auf sich warten lässt?