Grundsatzurteil vom Bundesarbeitsgericht: Kündigung wegen Hetze im Chat

Jobverlust bei Rassismus, Hass und Hetze: Das Bundesarbeitsgericht sieht bei Whatsapp-Gruppen keine besonders hohe Ver­trau­lich­kei­t.

Smartphone mit dem Symbol von WhatsApp.

Wer seinen Chef beleidigen möchte, sollte es eher nicht in der Chat-Gruppe mit Kol­le­g:in­nen machen Foto: imago

BERLIN taz | Wer in Chatgruppen gegen Kol­le­g:in­nen und Vorgesetzte hetzt, kann fristlos gekündigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil. In der Regel können die Teil­neh­me­r:in­nen von Chatgruppen nicht darauf vertrauen, dass nichts nach außen dringt. Schon seit 2014 haben sich sechs Kollegen bei der Fluggesellschaft TUI Fly in einer Chatgruppe ausgetauscht. Oft ging es um Fußball, immer wieder auch um Unzulänglichkeiten von Kolleg:innen, Be­triebs­rä­t:in­nen und Vorgesetzten.

Ein Feindbild scheint der polnische Geschäftsführer gewesen zu sein. Regelmäßig kam es zu Mord- und Vergewaltigungsfantasien. Zitate wie „Unter Hitler würde die Welt besser laufen“ zeigen den politischen Hintergrund der Chat-Teilnehmer. Die Chat-Inhalte wurden bekannt, als ein Mitglied einem außenstehenden Kollegen eine bestimmte Äußerung zeigte. Dieser nahm das Smartphone in die Hand und kopierte den Chatverlauf an seine eigene Adresse. Über Umwege kam die ausgedruckte Chatdokumentation zum Personalleiter, der die drei übelsten Hetzer nach einer Anhörung fristlos kündigte.

Die Betroffenen klagten gegen ihre Kündigung und beriefen sich darauf, dass ihre Chats den Betriebsfrieden nicht gestört hätten. Sie hätten auch nie vorgehabt, jemand zu ermorden, sondern wollten nur unter Vertrauten ihrem Ärger Luft machen. Da sie befreundet seien, hätten sie sich auch darauf verlassen können, dass alles in der Chatgruppe bleibe.

Mit dieser Argumentation hatten sie in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hielten die fristlosen Kündigungen für unwirksam. Es fehle der „wichtige Grund“. In Chatgruppen von sechs bis sieben Personen habe die freie Entfaltung der Persönlichkeit Vorrang vor dem Ehrschutz von Außenstehenden.

Chat ist auf Weiterleitung von Nachrichten ausgelegt

Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. In der Regel könne bei Whatsapp-Gruppen nicht darauf vertraut werden, dass nichts nach außen dringe. Das liege schon an der Technik, die auf die schnelle Weiterleitung von Nachrichten ausgelegt ist. Außerdem komme es auf den Inhalt des Chats an. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige ist besonders wenig damit zu rechnen, dass niemand etwas weitergibt oder weitererzählt. Dabei müssen die Teilnehmer nicht nur mit Reaktionen aus Empörung oder schlechtem Gewissen rechnen, sondern auch mit Sensationslust und Zeigefreudigkeit.

Das BAG entschied nun nicht abschließend, sondern verwies den Fall ans LAG Niedersachsen zurück. Dort können die drei Mitarbeiter noch einmal Argumente vorbringen, warum im Fall ihrer Gruppe doch mit dauerhafter Vertraulichkeit zu rechnen war.

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