Froschart in Kolumbien: Klein, laut und invasiv

Für Kolumbiens Artenvielfalt ist der laut pfeifende „Schickimickifrosch“ eine Bedrohung. Politikerïnnen sehen seiner Ausbreitung tatenlos zu.

Man hat ihn buchstäblich von seiner Karibikinsel weggetragen: Johnstones Pfeiffrosch Foto: All Canada Photos/imago

BOGOTÁ taz | Der Eindringling ist mit seiner braunen Haut optisch unauffällig, der Gesang von Johnstones Pfeiffrosch (Eleutherodactylus johnstonei) ist dagegen sehr laut. Nicht nur deshalb ist der Winzling ein Problem für Kolumbien. Ursprünglich stammt der Pfeiffrosch von den Kleinen Antillen. Mittlerweile ist er die verbreitetste Froschart der Karibik und weltweit auf Platz zwei. Wie und wann genau er nach Kolumbien kam, ist nicht klar. Nachgewiesen wurde er erstmals 1992 in der Hafenstadt Barranquilla.

Hüpfen kann er maximal drei bis vier Meter weit. Man hat ihn buchstäblich von seiner Karibikinsel weggetragen – auf exotischen Zierpflanzen. Da diese vor allem in den Vorgärten in reicheren Vierteln Kolumbiens landeten, betiteln einheimische Medien den Frosch deshalb als „rana gomela“ – Schicki­micki­frosch.

Längst ist er auch in ärmeren Wohngegenden zu finden. Und er hat sich aus den warmen Städten im Tiefland bis auf 1.700 Meter Höhe verbreitet. Die Sorge von Forscherïnnen ist, dass er in einmalige Ökosysteme gelangt wie den tropischen Trockenwald und Andenausläufer.

Kolumbien ist nach Brasilien das zweitartenreichste Land der Welt. Wenn Fremdlinge einfallen, kann das schlimme Folgen haben. Laut einem aktuellen Bericht der UN-Plattform für zwischenstaatliche Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES) sind tierische, pflanzliche und mikrobiotische Invasoren eine der fünf Haupt­ursachen für das Schwinden biologischer Vielfalt. Die anderen vier sind: veränderte Land- und Meeresnutzung, Ausbeutung von Arten, Klimawandel und Umweltverschmutzung.

Amphibien sind anfällig für Krankheiten

Amphibien sind besonders anfällig für Parasiten oder Krankheitserreger, die sie über ihre Haut aufnehmen. Auf Eleutherodactylus johnstonei wiesen Forscherïnnen einen Pilz nach, der in den 90ern für ein Massensterben unter Amphibien in Australien, den USA und der Andenregion sorgte – und diese weltweit zur bedrohtesten Wirbeltier-Klasse machte. In Kolumbien dezimierte der Pilz Amphibienarten massiv und rottete manche sogar aus, sagt Sandra Galeano, Frosch-Expertin am Humboldt-Institut in Bogotá.

Die Biodiversitäts­politik Kolumbiens der letzten 60 Jahre hat große Schwächen

Neben Krankheiten besteht immer die Gefahr, dass die Fremdlinge den einheimischen Fröschen die Nahrung wegfressen oder diese mit ihrem ­penetranten Gepfeife vertreiben. Ihr Vorteil: Sie brauchen kein Gewässer, um sich fortzupflanzen. Aus den Eiern schlüpfen direkt kleine Frösche. Das Kaulquappen-Stadium überspringen sie.

Und wie geht’s Frosch und Mensch? Auf Hawaii ist eine Pfeiffrosch-Art aus Puerto Rico ein Problem für Immobilienbesitzerïnnen geworden. Weil Urlauberïnnen Ruhe statt penetrantes Gepfeife im Karibikparadies suchen, fielen die Eigentumspreise.

Von den lärmresistenteren Kolumbianerïnnen fühlen sich laut einer Umfrage des Biologen Daniel Osorio von der Universität Javeriana in Cali nur elf Prozent gestört vom Gesang – 47 Prozent gefällt er sogar. „Sie fühlen sich dadurch der Natur näher“, sagt Biologe Daniel Osorio.

Bei invasiven Arten gilt das Vorsorgeprinzip – eigentlich

Längst müsste etwas passieren. Doch auf der Liste des Umweltministeriums steht der Frosch bis heute mit einem falschen Namen. Ein erster Schritt müsste sein, sie zu aktualisieren und das Risiko neu einzuschätzen, sagt María Piedad Baptiste, Spezialistin für invasive Arten am Humboldt-Institut. In Sachen invasive Arten gilt das Vorsorgeprinzip: Auch wenn die Wissensbasis unvollständig ist, müssen denkbare Schäden für die Umwelt im Voraus vermieden oder verringert werden. Das ist zudem am effektivsten und billigsten.

Doch laut einer Studie der Stanford-Universität hat die Biodiversitätspolitik Kolumbiens der letzten 60 Jahre große Schwächen. Lücken gab es vor allem beim Wildtierschmuggel – und bei invasiven Arten. Auch die Pläne für den Kampf gegen den Pfeiffrosch verstauben. Würden die Behörden loslegen, bliebe für Biologe Daniel Osorio ein Problem: „Was machen wir mit den Leuten und ihrer Liebe zur Natur, selbst zu einer invasiven Art?“ Da könnte sich Widerstand regen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.