Flüchtlinge auf Berliner Oranienplatz: SPD sagt CDU-Räumungsplan ab
Noch im Januar wollte der Berliner Innensenator ein Flüchtlingscamp räumen. Nun sagt die SPD den Einsatz ab – und düpiert den CDU-Mann.
BERLIN taz | Der Schlachtplan des Berliner Innensenators war klar: Am Dienstag wollte CDU-Mann Frank Henkel das Kreuzberger Flüchtlingscamp im Senat aufrufen. Mit dessen Segen sollte ab dem 18. Januar geräumt werden. Schon seit Monaten monierte Henkel die „rechtswidrigen Zustände“ um das Camp. Nur: Der Koalitionspartner SPD und ihr Bürgermeister Klaus Wowereit sagten am Dienstag die Räumung vorerst ab. Und düpierten Henkel.
„Wir wollen alles für eine friedliche Lösung tun“, sagte Wowereit. Zwar müssten die „unhaltbaren Zustände“ beendet werden, dass Flüchtlinge in der Stadt in Zelten lebten. Auch eine Räumung schließe er dafür nicht aus. „Fristen“, kantete der Bürgermeister aber gen Henkels Plan, „helfen jetzt nicht“. Vielmehr solle noch einmal Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) auf dem Platz vermitteln.
Seit Oktober 2012 campieren Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz. Im November sollte Schluss sein: Der Senat stellte den Flüchtlingen ein Winterquartier, dafür sollten diese den Platz räumen. Gut 20 Bewohner aber blieben, neue kamen dazu. Henkel verlor die Geduld: Er verkündete den Räumungsplan.
Der ist nun passé. Bis zuletzt hatte Henkel noch versucht, das Ruder rumzureißen. Am Montagabend traf er sich mit dem SPD-Landeschef, Dienstagfrüh mit Wowereit. Die SPD aber versagte ihre anfängliche Zustimmung. „Der Senat hat kein Interesse an einer Eskalation“, verlautbarte Wowereit offiziell. In der SPD mehrte sich die Sorge vor Krawallen wie jüngst in Hamburg. Die linke Szene Berlins hatte bereits breit für die Flüchtlinge getrommelt.
In der Koalition herrscht nun Zwist. Die CDU-Fraktion hatte Henkels Plan einst mit Applaus gefeiert. Seine Linie bleibe „klar“, sagte der Innensenator am Nachmittag. „Der 18. Januar ist vom Tisch, aber nicht die Räumung.“ Die CDU berief einen Koalitionsausschuss ein, um die Oranienplatz-Frage zu klären. Einen „Alternativvorschlag“ zur Räumung aber, schoß Henkel gen SPD, kenne er nicht. Auch habe deren Integrationssenatorin Kolat „kein Mandat des Senats“. Sie verhandele also auf eigene Faust.
Offen bleibt ohnehin, was Kolat auf dem Oranienplatz verhandeln kann. Die Flüchtlinge bekräftigen, ihr Camp halten zu wollen. „Noch sind unsere Forderungen nach einem Ende von Abschiebungen, Residenzpflicht und Sammellagern nicht erfüllt“, sagte die Sudanesin Napuli Langa. Es sei gut, dass nun wieder geredet werde. Die Politik, so Langa, müsse nun aber auch „etwas anbieten“.
Leser*innenkommentare
was wird aus den Forderungen? frage eines interessierten anwohners
Gast
„Noch sind unsere Forderungen nach einem Ende von Abschiebungen, Residenzpflicht und Sammellagern nicht erfüllt“
Was wäre für die Durchsetzung dieser Forderungen aus Sicht der taz notwendig? Dazu würde ich gerne mal einen Kommentar von euch lesen. Oder gehts euch auch nur noch um den Oranienplatz?!
Anja-Katarina
Hier werden gesetzliche Grenzen verletzt und das ist einfach nicht zu tolerieren! Wir brauchen für unser Land eine gewisse Sicherheit. Und diese wird nur durch Einhaltung von Ordnung gewährleistet. Und was machen Wowereit und die SPD? Sie haben keine Courage dazu.
Dhimitry
@Anja-Katarina Das Protestcamp ist kein Sicherheitsrisiko. Die öffentliche Ordnung ist ebenfalls nicht gefährdet. Also keine Angst...
Anja-Katarina
@Dhimitry Natürlich ist das Camp ein Sicherheitsrisiko. Denn es mit diesem Camp wird schon viel zu lange illegales Verhalten toleriert! Das ermuntert entsprechende Aktivisten natürlich dazu, weiterhin den Boykott von gesellschaftlichen Grenzen als Machtmittel für ihre Interessen einzusetzen. Und das ist nicht im Sinne des Erfinders und des gemeinen Volks!
robby
Sich an Hamburg ein Beispiel zu nehmen, ist grad keine so gute Idee....
biber
Gast
@robby das kann man anders sehen und ich tue dies
stephan
Gast
Was hier verhandelt werden soll frag ich mich auch. Denn es gibt nur zwei Optionen - entweder das Camp wird wie vereinbart freiwillig bis auf ein Infozelt geräumt oder der Senat läßt das Camp komplett räumen.
Für den Bruch der Vereinbarung zwischen Senat, Bezirk und Campern Übernahme Kosten Winterquartier (136.000 €) gegen Abbau des Camps bis auf ein Infozelt, sollte der Senat jetzt volle Härte zeigen.
Sommerwiesel
Gast
Hat denn noch niemand den Leuten beigebracht, daß es hier in Deutschland Gesetze gibt, die einzuhalten sind., auch von der eigenen Bevölkerung. Da können wir von den Auswärtigen wohl verlangen, daß sie sich nicht einfach darüber hinwegsetzen können. Forderungen kann man immer und überall stellen, nur werden sie nicht immer und gleich erfüllt werden.
Karla
Gast
"Die Politik, so Langa, müsse nun aber auch „etwas anbieten“."
Ich wüsste, was.