Etikettenschwindel bei Neuland: Fleisch außer Kontrolle

Nach dem Skandal um seine Gütesiegel will Neuland Lücken im Kontrollsystem schließen. Ein Lieferant hatte konventionelle Hähnchen umdeklariert.

Einige der Neuland-Tiere haben ein halbes Hühnchenleben in herkömmlichen Fabriken verbracht Bild: dpa

BERLIN taz | Das Fleisch mit der Marke des „Neuland“-Vereins hatte bisher einen tadellosen Ruf: Rund 170 Bauern liefern Schweine, Rinder und Geflügel, die sie besonders artgerecht halten. Ihr Marktanteil liegt unter 0,5 Prozent, aber Neuland gilt als praktikabler Kompromiss zwischen der noch umweltschonenderen, aber teureren Biohaltung und der oft tierquälerischen konventionellen.

Doch das Image hat gelitten, seit herausgekommen ist, dass der größte Hähnchenlieferant von Neuland mindestens fünf Jahre lang Tiere aus konventionellen Industrieställen einfach umdeklarierte.

Nun hat der Verein angekündigt, dass kontrolliert wird, wie viele Neuland-Tiere in einen Schlachthof oder Zerlegebetrieb hineingehen und wie viel Fleisch mit dem Siegel wieder herauskommt. „Das muss regelmäßig abgeglichen werden“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Vereins, Jochen Dettmer, am Donnerstag der taz.

Im Umkehrschluss heißt das: Bisher hat Neuland sich solche systematischen Warenflussprüfungen gespart. Unglaublich finden das zum Beispiel manche Biolandwirte. „So ein Mengenabgleich gehört zum Kern der Ökokontrolle“, merkt einer an.

100.000 Hühnchen jährlich

Die Lücke im Kontrollsystem hat den jetzt von der Wochenzeitung Zeit enthüllten Betrug erst ermöglicht. Denn nur deshalb konnte der beschuldigte Landwirt und Schlachtereibesitzer L. Industriehühner zukaufen, schlachten und anschließend als teure Neuland-Ware vermarkten. L. und seine Ehefrau wurden Dettmer zufolge inzwischen als Gesellschafter der zuständigen Neuland Vermarktungs-GmbH Bad Bevensen ausgeschlossen.

L. stallte – mit Erlaubnis von Neuland – auch konventionelle Jungtiere erst im Alter von drei Wochen ein. Die Hühner verbrachten also fast ihr halbes Leben nicht auf einem Neuland-Hof mit Auslauf, mehr Platz und ohne Antibiotikabehandlung, sondern in einer herkömmlichen Hühnerfabrik. Das „soll vermieden werden, indem die Aufzuchtkapazitäten auf Neuland-Betrieben ausgebaut werden“, teilt Neuland nun mit. Eine Frist nennt der Verein nicht.

In seiner Pressemitteilung geht er auch nicht darauf ein, dass Neuland etwa 100.000 Hähnchen jährlich von L. bekam – obwohl ein Betrieb laut Richtlinien des Vereins maximal 16.000 Mastplätze haben darf. Das entspricht einer Jahresproduktion von lediglich 80.000 Hähnchen. Für dieses Missverhältnis kassiert Neuland Kritik sogar von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die neben der Umweltorganisation BUND und dem Tierschutzbund zu den Trägern des Neuland-Vereins gehört. „Es hätte schon vorher auffallen können und müssen“, sagte AbL-Geschäftsführer Ulrich Jasper.

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