Ernährungsstrategie der Bundesregierung: Hehre Ziele, unklarer Weg

Die Ampelkoalition will Lebensmittel ohne Fleisch und Milch fördern sowie Bauern entlasten. Aber wie? Das lässt die Regierung immer noch offen.

Zwei Männer im Gespräch.

Cem Özdemir stellt Ernährungsstrategie vor: Bundesregierung setzt auf weniger Fleisch und mehr pflanzliche Ernährung Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung bekennt sich so deutlich wie nie dazu, pflanzliche Lebensmittel zu fördern. „Mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte – pflanzenbetonte Ernährung stärken“, lautet ein Ziel der Ernährungsstrategie, die das Kabinett am Mittwoch auf Vorschlag von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) beschlossen hat. Wie genau die Ampelkoalition den WissenschaftlerInnen zufolge im Schnitt zu hohen Konsum von Fleisch- und Milchprodukten senken will, bleibe weitgehend offen, so Umwelt- und Verbraucherverbände.

Ebenso vage bleiben SPD, Grüne und FDP auch in Sachen Landwirtschaft: Als Reaktion auf die Bauernproteste legten sie dem Bundestag einen Entschließungsantrag vor, der lediglich Fragen an die Regierung enthält, etwa: „Wie kann eine verlässliche Finanzierung für die tierwohlgerechte Tierhaltung sichergestellt werden?“ Antworten gibt das Papier nicht.

Dabei sind die Probleme akut. Einerseits haben Tausende Bauern demonstriert, unter anderem weil die Zahl der Höfe in Deutschland von 2020 bis 2023 laut Statistischem Bundesamt um rund 3 Prozent auf 255.000 Betriebe gesunken ist. Die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben sowie das Grundwasser verschmutzt wird. 14 Prozent der deutschen Treib­hausgase kommen laut Umweltbundesamt aus der Branche, besonders aus der Tierhaltung. Viele Nutztiere werden unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten. Andererseits ist Fehlernährung eine Ursache dafür, dass in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 47 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer übergewichtig sind.

Aus diesen Gründen setzt sich die Bundesregierung das Ziel, dass etwa in Kantinen und Kitas künftig die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verbindlich sein sollen, die beispielsweise geringere Fleischmengen vorsehen, als derzeit konsumiert werden. In der Gemeinschaftsverpflegung sollen auch mehr Bio-Lebensmittel verwendet werden. Schulküchen, Trinkwasserspender und Ernährungsbildung sollen gefördert werden. Außerdem soll es verbindliche Ziele entlang der Lebensmittelkette geben, um Verschwendung zu reduzieren. Ziel ist außerdem, die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt einzuschränken.

Umweltministerin Lemke ist nicht mehr dagegen, dass Bauern Diesel aus Pflanzen nutzen

Doch egal, ob AOK-Bundesverband, Foodwatch oder der WWF: Alle kritisierten die Strategie scharf. „Für dieses wohlklingende, aber weitgehend folgenlose Papier hat die Ampel-Koalition also die Hälfte ihrer Legislaturperiode gebraucht?“, ätzte Foodwatch. „Völlig unklar ist, wie zentrale Vorhaben der Strategie wie zum Beispiel im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung finanziert und rechtlich umgesetzt werden sollen“, teilte der WWF mit. „Kurzfristig könnte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf gesunde Erzeugnisse wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte streichen.“ Doch diese Option fehle in der Strategie.

Trotzdem gehen dem Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Christoph Minhoff, die Pläne schon zu weit. Er warf Özdemir eine Politik der „ideologisch unterfütterten Bevormundung“ vor. Die Regierung versuche der Industrie „detaillierte Vorschriften in ihrem Kerngeschäft zu machen“.

Noch mehr Ärger von der Umweltseite könnte sich die Regierung einhandeln, weil sie erwägt, Diesel aus Pflanzen als Alternative zum fossilem Diesel für Traktoren zu fördern. Mit Blick auf die aus Getreide gewonnenen Kraftstoffe sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Dienstagabend dem ARD-Hauptstadtstudio: „Wenn wir die für die Landwirtschaft reservieren und dort einsetzen können, dann halte ich das auch als Umweltministerin für eine sinnvolle Lösung.“ Damit rückt Lemke teilweise von ihrer Haltung ab, die Herstellung von Biosprit bis 2030 beenden zu wollen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte Biodiesel bereits abgelehnt, weil für ihn Lebensmittel und Flächen verschwendet sowie mehr Treibhausgase als für fossilen Kraftstoff freigesetzt würden. (mit dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.