Demo-Debatte im Abgeordnetenhaus: „Frauenmarsch“ geht im Parlament weiter
Die AfD stellt sich nach der Sitzblockade vom Samstag als Opfer dar und sorgt sich im Abgeordnetenhaus um die Demokratie.
Die Demokratie quasi am Abgrund, die Meinungsfreiheit mit den Füßen getreten und Frauenrechte missachtet: Es ist ein wüstes Bild, das die AfD-Fraktion am Donnerstagmorgen im Abgeordnetenhaus zeichnet. Hier will sie ein Thema weiterdrehen, mit dem sie am Samstag bei einer maßgeblich von ihr getragenen Demonstration nicht über den Checkpoint Charlie hinausgekommen ist.
Als „Frauenmarsch“ war der Aufzug angekündigt worden – tatsächlich waren laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) nur ein Drittel der Teilnehmenden Frauen. Eine Sitzblockade von rund 1.000 Menschen stoppte den Zug am Übergang von Kreuzberg nach Mitte, die Polizei sah von einer Räumung ab – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, sagt Geisel nun im Abgeordnetenhaus. „Eine Schande für Berlin“ nennt das die AfD-Abgeordnete Jeannette Auricht.
Der grünen Innenpolitik-Experte Benedikt Lux sieht das ganz anders: Schämen solle sich vielmehr die AfD, weil die tags zuvor in einer ähnlichen Debatte im Bundestag heftig die Polizeiarbeit vom Samstag kritisierte. Überhaupt sieht Lux die Wahrnehmung der AfD gestört. Rund 5.000 Demonstrationen gebe es jährlich in Berlin, die weitgehend friedlich verliefen – „da sehen Sie das Demonstrationsrecht in Gefahr?“
Wie sein SPD-Kollegen Sven Kohlmeier findet Lux es normal, dass es zu einer Demonstration eine Gegendemonstration gibt. Das müsse man aushalten, statt sich als Opfer zu stilisieren. „Haben Sie etwa erwartet, dass Ihnen die Polizei den Weg frei knüppelt?“, fragt Lux Richtung AfD. Offenbar schon: „Kein Wasserwerfer bahnte der rechtmäßigen Demonstration die Bahn“, beschwert sich der zwar aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene, aber weiter fraktionsnahe Abgeordnete Andreas Wild.
CDU-Mann Burkard Dregger empfindet die ganze von der AfD beantragte Debatte als gestohlene Zeit und empfiehlt der Partei einen Benimm-Kurs. Auseinander pflückten mehrere Redner den angeblichen Anlass der Demo, die Wahrung von Frauenrechten. Keine einzige Zeile zu Frauenrechten habe sie im AfD-Wahlprogramm gefunden, sagt Anne Helm (Linke).
Und dass die AfD-Abgeordnete Auricht einen direkten Zusammenhang zwischen Frauenängsten und mehr Flüchtlingen herstellt, kontert SPD-Mann Kohlmeier mit einem Verweis auf den Regisseur Dieter Wedel. Über ihn, dem Frauen in der MeToo-Debatte Missbrauch vorwerfen, sagt Kohlmeier: „Der ist kein Ausländer, ist kein Moslem und ist kein Flüchtling.“
114 Strafanzeigen „aus beiden Spektren“ gibt es laut Innensenator Geisel zu der Demonstration, am Freitag sollen die Unterlagen der Staatsanwaltschaft vorliegen, informiert Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Nötigung ist für die Linkspartei-Abgeordnete Helm eine Sitzblockade wie am Samstag nicht – das habe 2011 das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Holger Krestel von der FDP, sieht das anders und kritisiert die Blockade: „Auch Dumpfbacken haben Grundrechte“, sagt er – und fügt Richtung Koalition hinzu: „Sonst könnten viele Demonstrationen, an denen Sie selbst teilnehmen, gar nicht mehr stattfinden.“
Leser*innenkommentare
otto
Ein Marsch für Frauenrechte ist ein Marsch für Frauenrechte. Wo bleibt die Solidarität?
chn
das die afd-demo zu einem drittel aus frauen bestand, gilt aber nur für die erste reihe. da wurden frauen extra für fotos nach vorn gebeten, damit nicht allzu offensichtlich ist, dass sich hier nur trotzige weiße männer austoben wollen.
der frauenanteil in der gegendemo war dagegen beachtlich. und die geegendemo war von frauen initiiert.
PPaul
Wären sie einfach links in die Kochstraße abgebogen, hätte es überhaupt kein Problem gegeben. Aber sie wollten wohl nicht an den Gegendemonstranten vorbei, die ihnen gezeigt hätten, dass sie nicht das Volk sind. Stattdessen steht man sich lieber die Beine in den Bauch und fordert, dass Gegendemonstranten zusammengeschlagen und von der Straße gespritzt werden. Die AfD ist wirklich ein armseliger Haufen.