Bürgerkrieg in Sudan: UN-Diplomatie ist gescheitert

Volker Perthes, der UN-Sonderbeauftragte für Sudan, tritt zurück. Er hat ein Abgleiten des Landes in den Bürgerkrieg nicht verhindern können.

Volker Perthes an einem Konferenztisch

Bittet um seine Entlassung: Der UN-Sonderbeauftragte für Sudan Volker Perthes Foto: Alessandro Della Valle/Keystone/dpa

KAMPALA taz | Als der deutsche Volker Perthes, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs und Chef der UN-Mission in Sudan (UNITAMS), am Mittwoch im UN-Hauptquartier in New York das Wort ergreift, macht er ein sehr ernstes Gesicht. Seiner Stimmlage und seinen offenen, sehr gezielt gewählten Worten ist in seiner 15-minütigen Einschätzung der Lage im Bürgerkriegsland Sudan anzumerken: Die Lage ist extrem ernst. „Was als Konflikt zwischen zwei Militärformationen begann“, so Perthes, „könnte sich in einen ausgewachsenen Bürgerkrieg verwandeln.“

Seit dem Ausbruch des Krieges im April seien mindestens 5.000 Menschen getötet und über 12.000 verletzt worden, so Perthes und betont, dies sei eine „konservative“ Schätzung und die tatsächliche Zahl sei „wahrscheinlich viel höher“. Die UN habe zudem „glaubwürdige Informationen über 13 Massengräber in West-Darfur gesammelt“, sagt er, bei diesen „grauenvollen Akten von Gewalt“ handele es sich wahrscheinlich um „Kriegsverbrechen, die zusätzlich mit sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen einher geht.“ Er fordert „glaubwürdige Ermittlungen“. Dann betont Perthes ganz klipp und klar: „Die UN sind niemals neutral wenn es zu Menschenrechtsverbrechen kommt.“

Diesen deutlichen Worten folgt ein Rundumschlag, in welchem der UN-Sonderbeauftragte klar und präzise die Täter und Verantwortlichen benennt, und zwar „ganz egal, wer den ersten Schuss gefeuert hat“, so Perthes. „Luftangriffe werden begangen von denjenigen, die Luftstreitkräfte haben“, macht er deutlich und meint damit ganz konkret die sudanesische Armee (SAF) unter der Führung von General Abdel Burhan.

Dieser hatte zuvor gewarnt, dass er die Beziehungen zu der UN-Mission UNITAMS abbrechen würden, wenn Perthes auf der UN-Sicherheitsratssitzung sprechen würde. Die Junta in Khartum hatte Perthes bereits im Juni die diplomatischen Akkreditierungen entzogen, nachdem die die Generäle ihm Voreingenommenheit und irreführende Berichte über die Friedensbemühungen im Land vorgeworfen hatte. Er musste daraufhin das Land verlassen und war seither nur noch im UN-Hauptquartier in New York anwesend.

Klare Benennung der Täter

Aber auch gegenüber den Veranwortlichen Anführern der Schnellen Einsatztruppe (RSF) unter der Führung von General Mohamed Hamdan Dagalo, bekannt unter seinem Kriegsnamen Hametti, nimmt Perthes kein Blatt vor den Mund: „Die meisten sexuellen Gewalttaten, Plünderungen und Morde ereignen sich in von der RSF kontrollierten Gebieten und werden von der RSF und ihren Verbündeten durchgeführt oder toleriert“, stellte Perthes klar. Beide Kriegsparteien nähmen zudem „willkürlich Zivilisten fest, inhaftieren sie und foltern sie sogar“, sagte er. Es gebe „Berichte über außergerichtliche Tötungen.“

„Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung zum Ende kommen“, bittet der deutsche Sonderbeauftragte letztlich und macht eine kurze Pause, um sich zu sammeln. „Ich bin dem Generalsekretär dankbar für diese Gelegenheit und für sein Vertrauen in mich, aber ich habe ihn gebeten, mich von dieser Pflicht zu entbinden“, fährt er fort und reicht also offiziell sein Rücktrittsgesuch ein.

Damit nimmt Perthes nicht nur den Hut, sondern gesteht quasi auch ein Scheitern der UN-Diplomatie ein, die mit dazu beigetragen habe, dass der 2021 nach dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al Bashir begonnen Übergangsprozess in einen Bürgerkrieg mündete.

Er stellt klar: Militärführer sollten nicht weiter das Land regieren. Es seien zudem alle Nachbarländer sowie regionale und internationale Organisationen gefragt, ihre Vermittlungsbemühungen zu koordinieren, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu erzielen.

Dann tritt Perthes ab.

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