Britische Internet-Überwachung: Deutsche alarmiert, Briten ungerührt
Parteiübergreifend fordern deutsche Politiker Aufklärung über das britische Überwachungsprogramm „Tempora“. In Großbritannien gibt es nur verhaltene Reaktionen.
BERLIN/DUBLIN rtr/taz | Nach der Enthüllung des umfangreichen Spähprogramms des britischen Geheimdienstes GCHQ pocht die Bundesregierung auf rasche Aufklärung. „Treffen die Vorwürfe zu, wäre das eine Katastrophe“, erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Wochenende. Auch FDP-Chef Philipp Rösler forderte eine rasche Aufklärung von Großbritannien. Die Opposition schlug ebenfalls Alarm. „Die Vorwürfe klingen so, als ob der Überwachungsstaat von George Orwell in Großbritannien Wirklichkeit geworden ist“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
Der britische Geheimdienst zapft dem Guardian zufolge im großen Stil transatlantische Glasfaserkabel an und gibt Informationen an die US-Behörde NSA weiter. Das Programm mit dem Namen „Tempora“ bestehe seit etwa eineinhalb Jahren und sei weitaus umfangreicher als das kürzlich enthüllte US-Programm Prism. Der Guardian beruft sich auf Dokumente, die ihm vom früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden zugespielt wurden. Die USA stellten inzwischen Strafanzeige wegen Spionage gegen den 30-Jährigen.
Der Bericht löste in Deutschland parteiübergreifend Besorgnis aus. Ein solches Programm wäre nicht hinnehmbar, erklärte Rösler über Twitter. Die britische Regierung müsse schnell Transparenz schaffen. Regierungssprecher Georg Streiter sagte, die Bundesregierung nehme den Bericht sehr ernst und gehe der Angelegenheit nach. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, wenn das berichtete Ausmaß der Datenüberwachung stimme, wäre dies nicht akzeptabel.
Die Enthüllungen haben in Großbritannien dagegen nur verhaltene Reaktionen ausgelöst. Obwohl die britischen Schriftsteller Aldous Huxley und George Orwell haben schon vor über 60 Jahren Schreckensszenarien vom Überwachungsstaat entworfen, ist heutzutage Datenschutz wenig im Gespräch. Rund fünf Millionen Kameras überwachen die Innenstädte. 80 Prozent der Briten finden, dass man solche persönliche Informationen im Dienste der Sicherheit herausrücken müsse.
Altes Gesetz zurechtgebogen
Die Schnüffler vom GCHQ berufen sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 2000. Damals arbeiteten die Geheimdienste allerdings noch überwiegend mit dem Anzapfen von Telefonkabeln. Das Internet war in dem Gesetz gar nicht vorgesehen, doch GCHQ hat es sich entsprechend zurechtgebogen.
Voriges Jahr hat die Regierung versucht, das Gesetz zu modernisieren, um die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internetverkehr zu ermöglichen, stieß dabei jedoch auf Widerstand. Ein Informant sagte dem Guardian, in Geheimdienstkreisen habe man die Debatte eher belustigt verfolgt. „Das GCHQ hat das doch schon seit Jahren gemacht“, sagte er.
Leser*innenkommentare
Abgriff
Gast
Eine Firma wird jetzt endlich von der Presse genannt, auf die man in Deutschland besonders achten sollte: Vodafone. Diese Firma will derzeit Kabel Deutschland kaufen. Mal sehen wie lange es dauert, bis Berlin aufwacht. Wahrscheinlich werden die wieder total überrascht sein.
http://www.sueddeutsche.de/politik/nachrichtendienst-gchq-briten-schoepfen-deutsches-internet-ab-1.1704670
Siehe auch
https://www.taz.de/Britischer-Geheimdienst-spaehte-G20-aus/Kommentare/!c118244/
Hannes Schinder
Gast
Deutschland fordert Aufklärung über neues Spähprogramm
so "REUTERS"
ich halte mir den Bauch vor lachen
so "lange"
KFR
Gast
es ist höchstens das unsanfte Erwachen aus Traumwelten der Jahrmarkts Verkäufer der Einheit und FriedeFreudeEierkuchen , die manche so aufschreckt; wer täglich die dümmlichen emailscams und tracker( auch aus UK ) auf dem PC hat und schon vor 30 Jahren die us uk FaxÜberwachung für Geschäftskontakte Geschäftsgeheimnisse, Produkte, Preise, Pläne kennenleren durfte, war selbst von der Stuxnet Attacke mittels Siemens V7 speicherprog Steuerunggegen Iran nicht mehr überrascht. Nicht ohne Grund fragt sogar googleplus nach den Mitarbeitern in Ihrer Unternehmung, Studienkollegen, Freunden, Familienangehörigen und natürlich Telefonnummern, ihrem derzeitigen Standort, email etc etc
REalist
Gast
Ich kann verstehen, wenn sich jetzt niemand mehr traut seine Meinung in Form eines Kommentars im Web kund zu tun. Das ist doch das, was mit dieser total Übewachung u.a. beabsichtigt wird. Und erzähle mir keiner uns Merkelchen und Konsorten wären darüber nicht infomiert gewesen ... hahaha. Davon profotiert unser Regime auch prächtig!
Wo bleiben die Massenproteste? Achso wir sind ja durch Konsum ruhig gestellt.
chris
Gast
Die Deutschen sind immer "alarmiert", reagieren geradezu hysterisch auf alles, wo medial das Wort "Skandal" angeheftet wird und wollen, dass irgendwer macht, dass es wieder gut wird im Sinne eines Ideals, das man gar nicht genau bezeichnen kann.
Ich glaube, genau deshalb lebe ich so gern ausserhalb Deutschlands, weil mir dieser Alarmismus hier nur auf den Geist geht und hoffe ehrlich gesagt, bald wieder packen zu können.
Ändern tut sich durch diese Haltung, die meines Erachtens sehr deutsch ist und den vorläufigen Höhepunkt des Auslebens nach Fukushima fand, übrigens rein gar nichts.
Aber die Hauptsache ist schließlich, man hat seine Bedenken formuliert und ein betroffenes Gesicht gemacht...
Hady Khalil
Gast
Cyberstrategien
President Obama hat vor der letzten US Wahl, von der Presse hierzulande kaum zur Kentnis genommen den „Cyber Weltkrieg“ ausgerufen. Das war mehr als ein Wahlkampfgag. Es war die Konsequenz aus den Cyberangriffen von Staaten und Cyberkriminalität. Wer ist der Feind? Wo sitzt der Feind. Wer sind die Verbündeten?. Dieser Logik zu folgen, bedeutet der Kriegslogik folgen und alle Bündnisse zu untergraben Trotzdem kann man ja auch an der Realität nicht vorbei. Wie beendet maN EINEN Weltkrieg: Es gibt da ja mehrfache Erfahrungen, wenn dieser auch komplexer und vielschichtiger und Exterritorial ist. Waffenstillstand, Friedensverhandlungen, Friedensabkommen. Das ist das staatliche Prozedere . Waffenstillstand könnte zB. nur defensive Systeme bedeuten. Es ist sehr schwierig vertrauen in die Prozesse zu bekommen, weil dieser Krieg zum Größten Teil geheim geführt wird und wer darüber berichtet ist Landesverräter und mit dem Tod bedroht.Was bleibt ist die Mythenbildung und Märchenstunde? Und unseren Staatsführern zu glauben: Wird schon gut gehen. Ist ja alles Rechtstaatlich.
Irmi
Gast
Die USA stellten inzwischen Strafanzeige wegen Spionage gegen den 30-Jährigen.
Wie kann ein Land wie die USA den jungen Mann anklagen wo sie und auch Großbritannien die Weltmeister der Spionage sind. Wie verlogen ist das denn.
Alle Regierungen weltweit müssen sich einsetzen, das der Mann von Wikilakes, der junge Soldat (freigelassen die Anklage fallen gelassen) und nun der Mann der sich in China versteckt nicht ausgeliefert werden und auch nicht bestraft werden.
Schließlich haben auch wir hier in Deutschland erst durch diese Leute von den Machenschaften der USA erfahren. Also nicht so feige sein.