Berlins Bausenatorin zum Fall Holm: „Im Einzelfall bewerten“

Katrin Lompscher (Linke) fordert einen fairen Umgang mit Andrej Holm, ihrem wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittenen Staatssekretär.

Senatorin Lompscher und ihr Staatssekretär Andrej Holm

Senatorin Lompscher und ihr Staatssekretär Andrej Holm am Mittwoch vor der Presse Foto: dpa

taz: Frau Lompscher, die Linke hat sich am Freitagabend beim Koalitionsgipfel vorerst hinter Andrej Holm gestellt. Wie groß war der Druck von SPD und Grünen, ihn fallen zu lassen?

Katrin Lompscher: Ich äußere mich nicht zum Verlauf vertraulicher Gespräche. Richtig ist, dass es unterschiedliche Einschätzungen der Situation durch die Koalitionspartner gab und gibt.

Hat Holm alles auf den Tisch gepackt, bevor Sie ihn als Staatssekretär nominiert haben?

Andrej Holm hat auch uns gegenüber seine Biografie offengelegt und dargelegt, wie er die Zeit damals erlebt und was er getan hat. Ich sehe nichts, was dieser Darstellung widerspricht.

Aus seiner Akte geht hervor, dass er nicht beim Wachregiment seine Grundausbildung absolvierte, sondern in der Auswertungs- und Kontrollgruppe der Berliner Bezirksverwaltung.

Er hat 1989 seine Grundausbildung gemeinsam mit ganz normalen Wehrdienstleistenden des Wachregiments absolviert, was ihn glauben ließ, dass er Angehöriger des Wachregiments war. Dass sich seine weitere Ausbildung danach von der anderer Wehrdienstleistender unterschied, hat er nie bestritten und damit begründet, dass er später hauptamtlicher Mitarbeiter werden sollte.

Hätten Sie auf die Nominierung verzichtet, wenn Sie gewusst hätten, dass er hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi war?

Ich denke nein. Ich habe Andrej Holm als anerkannten Fachmann für Wohnungs- und Mietenpolitik vorgeschlagen, weil er dazu beitragen kann und will, eine soziale Wohnungspolitik in der Stadt umzusetzen. Für die Nominierung und in der aktuellen Auseinandersetzung war und ist entscheidend, was Andrej Holm real in seiner kurzen Zeit beim MfS getan hat und wie er sich heute dazu positioniert. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass er gespitzelt hat beziehungsweise an Aktionen gegen Oppositionelle beteiligt war. Dass er kein normaler Wehrdienstleistender war, hatte er seinem Umfeld früh offenbart, der Öffentlichkeit war es nach seinem taz-Interview 2007 bekannt. Er selbst lässt keinen Zweifel daran, dass er die damalige Entscheidung bereut und dass er dazu eine kritische Haltung entwickelt hat.

54, ist neue Bausenatorin. Die Linkspartei-Politikerin war 2006 bis 2011 Umweltsenatorin

Wenn Andrej Holm zurücktritt, wird er womöglich auch nicht mehr in seinen Job an der Humboldt-Universität (HU) zurückkönnen. Tragen Sie da auch eine Verantwortung?

Es ist auch meine Verantwortung, deshalb setze ich mich für einen fairen Umgang ein. Aber für einen sachlichen Umgang mit Biografien gibt es eine darüber hinausgehende gesellschaftliche Verantwortung. Wir müssen wegkommen von pauschalen und formalen Kriterien, wir müssen im Einzelfall bewerten, was jemand real getan hat und Menschen danach beurteilen.

Nun liegt die Entscheidung bei der HU. Diese muss darüber entscheiden, ob seine Angaben im Personalbogen 2005 ein arbeitsrechtliches Vergehen waren. Wann rechnen Sie mit dieser Entscheidung?

Ich habe dazu bisher keine Signale. Ich gehe davon aus, dass die HU alles für eine zügige Prüfung unternimmt.

Wird Andrej Holm bis dahin überhaupt ernsthaft seinen Job als Staatssekretär für Bauen ausfüllen können?

Die inhaltliche Arbeit hat bereits begonnen, und wir können uns dabei auf eine sachkundige Verwaltung stützen. Dass die Nominierung von Dr. Andrej Holm als Staatssekretär für Wohnen Gegenwind erzeugt, war mir und uns klar. Zugleich signalisieren viele Menschen aus Verbänden und Initiativen, aus der Wissenschaft und aus Kreisen der früheren Opposition in der DDR Unterstützung für Andrej Holm, weil sie mit dieser Personalie wie wir eine Veränderung in der Wohnungspolitik zugunsten der Mieterinnen und Mieter verbinden.

Was, wenn er dann im Januar oder Februar entlassen wird?

Ich gehe bisher nicht davon aus, dass es dazu kommen wird.

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