Auschwitz-Prozess in Lüneburg: Anklage fordert dreieinhalb Jahre Haft
Ein ehemaliger SS-Mann gestand im Prozess, sich an den Opfern des KZs bereichert zu haben. Ein Großteil der Strafe soll aber als bereits verbüßt betrachtet werden.
LÜNEBURG dpa | Im Auschwitz-Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning hat die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Lüneburg dreieinhalb Jahre Haft gefordert. Der 94-Jährige solle wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 300.000 Fällen schuldig gesprochen werden, hieß es am Dienstag im Plädoyer der Anklage.
Weil eine Verurteilung Grönings schon vor Jahrzehnten möglich gewesen wäre, sollten aber bis zu 22 Monate der Haft als bereits verbüßt betrachtet werden. Gegen Gröning waren bereits 1977 Ermittlungen eingeleitet worden, sie wurden aber wieder eingestellt. Es handele sich um eine Verfahrensverzögerung, sagte Staatsanwalt Jens Lehmann in seinem Plädoyer am Dienstag.
Gröning, dessen Gesundheitszustand sich zuletzt zusehends verschlechterte, hatte zu Beginn des international beachteten Prozesses im April eingeräumt, in Auschwitz Geld aus dem Gepäck von Juden genommen und an die SS in Berlin weitergeleitet zu haben.
Er übernahm eine moralische Mitschuld. Zahlreiche Auschwitz-Überlebende treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf.
Leser*innenkommentare
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Bislang bin ich stets davon ausgegangen, dass ein Gericht nicht zuletzt dem Gebot der Angemessenheit zu folgen hat. Wo die Staatsanwalt mit ihrer Forderung nach dreieinhalb Jahren Haft für Herrn Gröning diesem Gebot gerecht wird, weiß außer ihr selbst wohl niemand. Im Sinne des Humanismus bleibt zu hoffen, daß das Gericht dieser Alibiforderung nicht folgen wird.
Trango
@76530 (Profil gelöscht) Steht alles im Gesetz: §§ 211 StGB in Verbindung mit §§ 27 (2), 49 (1) StGB. Allgemein § 46 StGB nicht zu vergessen.
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@Trango Ich habe mir die Mühe verkniffen, diese Paragraphen nachzulesen. Weil mich etwas Anderes mehr interessiert: halten Sie - jenseits der Gesetzesbuchstaben - die Forderung der Staatsanwalt für angemessen oder angesichts von x-tausend ungeschoren Davongekommenen (bis in hohe politische Ämter, in der Justiz etc) nicht als scheinheilige Symbol- oder Alibihandlung?
Trango
Ich denke, die Angemessenheit - auch als Nicht-Jurist - kann man erst dann einschätzen, wenn man die Hauptverhandlung direkt verfolgt hat. Alles Andere folgt Reflexen zwischen "Nazi = Höchststrafe" und "Lasst doch den alten Mann in Ruhe".
Ich hoffe sehr, dass die Staatsanwaltschaft in erster Linie die Forderung an der persönlichen Schuld orientiert hat. Ich gebe Ihnen allerdings recht, dass da vielleicht ein Unbehagen mitspielt. Allerdings kennt ein Staatsanwalt auch den Satz "keine Gleichheit im Unrecht". Die Strafempfindlichkeit eines 94-Jährigen (er müsste die Haftstrafe grundsätzliche antreten, Bewährung ist nicht möglich) ist allerdings ungleich höher als die eines Mittzwanzigers.
Asklepios
Beihilfe zu Mord ist schon längst verjährt. Das wurde 1969 vom BGH festgestellt.
Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.05.1969, Az.: 5 StR 658/68
Trango
@Asklepios Und da kam kein Verteidiger drauf? :-))