Verkauf des queeren Projekts Tuntenhaus: Baufällig genug

Das Tuntenhaus in der Kastanienallee erfüllt die Voraussetzung für das Vorkaufsrecht. Der Bezirk hätte das queere Wohnprojekt längst retten können.

Polizisten stehen 2010 in der Kastanienallee in Berlin vor einem ehemals besetzten Haus.

Das Haus in der Kastanienallee 86 ist schon lange umkämpft: Protest gegen die Räumung des Umsonstladens im Jahr 2010 Foto: Hannibal Hanschke/dpa

BERLIN taz | Das legendäre Tuntenhaus in der Kastanienallee 86 in Prenzlauer Berg ist baufällig genug, um das Vorkaufsrecht anzuwenden. Bei der Begehung wurden „erhebliche bauliche Missstände und Mängel“ festgestellt, die die Ausübung des Vorkaufsrechts erlauben würden, so der zuständige Pankower Bezirksstadtrat Cornelius Bechtler (Grüne) zur taz. Nun dürfte es darum gehen, einen möglichen Drittkäufer zu finden, der den Kaufpreis und die Sanierungskosten stemmen kann.

Die Unterstützung für das queere Hausprojekt ist groß. Nachdem bekannt geworden ist, dass das Wohnprojekt, dessen Geschichte bis in die Wendezeit zurückreicht, im Februar verkauft worden ist, fordern die Bewohner*innen, dass der Bezirk das Vorkaufsrecht ausübt. Auch Grüne und Linke hatten zuletzt den Senat in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, die nötigen finanziellen Mittel für den Vorkauf des Hauses bereitzustellen.

„Der Bezirk ist stark engagiert und tut bereits alles, was an Vorbereitungen notwendig ist, um das Vorkaufsrecht zu ziehen. Jetzt muss auch der Senat seine Hausaufgaben machen“, heißt es in dem Aufruf, der von sechs Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen gezeichnet wurde, darunter der linke Ex-Kultursenator Klaus Lederer und die grüne Stadtentwicklungsexpertin Katrin Schmidberger.

Offenbar hätte es soweit gar nicht kommen müssen. Denn bereits Ende Mai vergangenen Jahres wandten sich die bisherigen Eigentümer des Hauses mit dem Wunsch an die Pankower Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne), das Haus an eine gemeinnützige Wohnungsgesellschaft zu verkaufen. Die Mail liegt der taz vor.

„Wir haben in den letzten Jahren etliche Angebote für den Ankauf bekommen, würden aber gerne eine Möglichkeit finden, das Projekt zu erhalten“, hatten die Hausbesitzer an Koch geschrieben. Beide wollen Ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie in der Vergangenheit mit „Protestaktionen der Bewohner“ schon „schlechte Erfahrungen“ gemacht hätten.

Senat wollte wohl keine Zuschüsse geben

Gegenüber der taz bestätigt die Sprecherin von Bezirksstadtrat Bechtler, dass dieser seit Sommer 2023 über die Verkaufsabsichten informiert war. Der Bezirk könne allerdings selbst nicht als Makler tätig werden. Und für eine Prüfung des Vorkaufsrechts müsse das Haus erst einmal verkauft worden sein: „Vorher besteht keinerlei Handlungsoption des Bezirks.“

Die bisherigen Eigentümer stellen das etwas anders dar. Demnach hätte sich ein Mitarbeiter des Bezirksamts Pankow durchaus bemüht, eine Genossenschaft zu finden. „So wie ich es verstanden habe, ist es daran gescheitert, dass es vom Senat keine Zuschüsse für die Instandsetzung gegeben hätte“, sagt einer der Ex-Eigentümer. Als sie dann nichts mehr vom Bezirk gehört hätten, hätten sie – wie angekündigt – im Juni einen Makler kontaktiert.

Entgegen anders lautenden Aussagen hätte die Be­woh­ne­r*in­nen auch die Chance gehabt, das Tuntenhaus selbst zu erwerben, so die Verkäufer der Immobilie. Bei einem Gespräch seien auch Nach­ba­r*in­nen aus der Kastanienallee 85 anwesend gewesen, die als Gemeinschaft ihr Haus selbst gekauft hatten. In beiden Fällen, ob bei einem Verkauf an die Be­woh­ne­r*in­nen oder einen gemeinwohlorientierten Käufer, hätte man über den Preis reden können, so die Ex-Eigentümer.

Für welchen Betrag das Haus nun auf dem Markt verkauft worden ist und an wen, darüber machen sie keine Angaben. Einer der bisherigen Eigentümer sagt lediglich: „Über den Käufer kann ich nur sagen, dass er uns signalisiert hat, keine Luxussanierung vornehmen zu wollen.“

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