Pferde im Karnevalsumzug: Tierquälerei für die Tradition

Trotz aller Kritik von Tierschützern laufen am Rosenmontag in vielen Städten Pferde in den Umzügen mit. Für die Tiere ist die Party purer Stress.

Eine Reihe Steckenpferde mit roten Ohren

Nicht ganz so flauschig wie das Original, dafür aber deutlich stressresistenter: Steckenpferde beim Karneval Foto: Federico Gambarini/dpa

Rosenmontag steht vor der Tür, und was macht die Rheinländerin in der Diaspora? Sie schreibt wenigstens etwas aus der Ferne zur Sache: Zum Beispiel, dass der Karneval nicht mehr ist, was er mal war. Und dass man nicht mehr in seine Lieblingskneipe reinkommt vor lauter Touristen.

Eine Tradition, die aber tatsächlich gut weg könnte, ist die des Pferdes im Rosenmontagszug. Das Kölner Reiter-Korps Jan von Werth etwa ist schon seit 100 Jahren dabei. Lange liefen bis zu 450 Pferde insgesamt im Zug mit, und auch 2024 sind es noch 234 Stück. Ja, „Stück“, denn wie Requisiten werden sie behandelt, die schreckhaften Tiere, die elf Stunden lang den Sieben-Kilometer-Zugweg ablaufen müssen.

Einige ziehen schwere Kutschen, andere tragen mehr oder weniger schlanke ReiterInnen. Vor allem aber müssen die Pferde ertragen, dass ihnen Kamellen, Pralinenschachteln, Konfetti, vielleicht Flaschen um die Köpfe fliegen. Von Lautsprecherboxen, Blaskapellen und grölenden Menschenmassen am Straßenrand ganz zu schweigen.

Zur Not sediert aufs Fest

Das ist so wenig tiergerecht wie das „vorbereitende Training“, im Gegenteil: Da kriegen die Pferde knallende Luftballons und laute Musik um die Ohren, bis sie endlich nicht mehr reagieren. Das nennt man dann „Gelassenheitstest“, und wer besteht, muss zum Zug. Da sich inzwischen aber immer mehr Pferdeverleiher weigern, herrscht ein gewisser Mangel. Da hilft man auch mal mit (verbotener) Sedierung nach.

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Doch gegen die Angstreflexe der sensiblen Fluchttiere hilft das nicht: Immer wieder passieren in Rosenmontagszügen schwere Unfälle, zuletzt 2018, als in Köln zwei Kutsch-Pferde durchgingen und vier Menschen schwer verletzten. 2017 ging beim Bonner Karnevalszug ein Pferdegespann durch, und in Köln kollabierte ein Pferd, das trotz einer Gelenkerkrankung eingesetzt worden war. 2023 wiederum liefen im Kölner Zug Pferde eines verurteilten Tierquälers mit. Und das, obwohl Stadt und Karnevalsvereine beteuern, wie gewissenhaft die Tierärzte kontrollieren.

Seit Jahren fordern daher Tierschutzorganisationen, Pferde im Karneval zu verbieten. Und stets kontert das „Festkomitee Kölner Karneval“, das Pferd sei unverzichtbare Säule karnevalistischen Frohsinns. Reiter beteuern, man brauche die Tiere im Zug, denn „ „Pferde haben an Präsenz verloren und das Kulturgut Pferd wird überall auf den Prüfstand gestellt“. Im übrigen findet die Reiterkorpslobby: „Pferde leben auch im 21. Jahrhundert. Sie sind Lärm von Autos und Maschinen gewohnt.“ Es klingt, als sei Autoverkehr der durch Blitz-Evolution wundersam veränderte Lebensraum des Pferdes.

Watteweiche Regeln

Andere verzichten ganz auf Argumente: „Ohne Pferde ist Karneval Mist“, ließ NRW-Innenmininster Herbert Reul (CDU) 2018 nach dem schweren Kutschenunfall wissen. Sogar der Kölner Pastor Dominik Meiering vergaß 2023, dass auch Pferde zur schützenswerten Schöpfung zählen: Deren Einsatz sei „bei guten Kontrollen durchaus erlaubbar“, fand er.

Dass auch Kölns Stadtrat bislang „keine Notwendigkeit für ein Verbot“ sieht, verwundert da nicht. Lediglich neue „Leitlinien zum Einsatz von Pferden in Karnevalsumzügen“ hat NRW 2020 erlassen. Sie sind so watteweich, dass sie der – auffällig erfreuten – Karnevalslobby nicht gefährlich werden: „Nach Möglichkeit“ sollen Pferde am Anfang des Zuges laufen, um Wartezeiten zu minimieren, heißt es da etwa.

Was also bleibt? Öffentlichkeit. Beim diesjährigen Kölner „Geisterzug“ demonstrierte das „Netzwerk für Tiere Köln“, teils im Pferdekostüm, für pferdefreien Karneval. Der in Bonn bereits seit 2022 Usus ist. Und Düsseldorf – von Köln belächelter „Rivale – hat die Zahl der Pferde auf 20 reduziert.

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