Die Wahrheit: Dem Hustinetten-Bär eins husten

Wer mit wachen Augen und offenen Ohren sich in der winterkalten Öffentlichkeit bewegt, der weiß: es gibt 100 Wörter für 100 Hustenarten.

Eskimos haben 100 Wörter für Schnee? Nur ein Mythos. Kein Mythos hingegen ist, dass ich mittlerweile 100 Wörter für Husten habe. Denn zwischen den pneumonalbedingten Geräuschen der Mitmenschen muss äußerst behutsam differenziert werden. Im Rahmen meiner Selbstschutzstrategie unterscheide ich die folgenden Arten des Hustens und evaluiere ihr jeweiliges Gefährdungspotenzial.

Da ist zum einen das laute, intensive „Donnerhallhusten“. Was gefährlich klingt, ist es meist nicht. Denn wer ernsthaft krank ist und trotzdem öffentlich fährt, würde nie derart offensichtlich den Aussätzigenstatus riskieren. Das „Donnerhallhusten“ ist daher ein sicheres Anzeichen für eine abklingende, nicht mehr infektiöse Erkrankung, zu der man selbstbewusst stehen kann. Unbesorgt lehne ich mich bei dessen Erklingen zurück.

Gefährlich ist jedoch das „Flüsterkeuchen“, bei dem unterdrückt gehustet und sich dabei angsterfüllt umgeschaut wird. Flüsterkeuchende sind sich ihrer akuten Erkrankung bewusst, müssen aber trotzdem unbedingt irgendwohin. Hier heißt es: Maske auf, böser Blick an, Öffis am besten verlassen.

Ziemlich sicher kann man sich hingegen beim kurzen, flachen und spitzen „Lungenzwitschern“ fühlen. Dieses Anhusten steht für Erkrankungsspätfolgen, die bedingen, dass Lungenzwitscherer just noch voller Antikörper sind. Ein im Vorbeigehen aufgeschnappter Huster der Lungenzwitscherer wirkt daher genauso gut wie eine fünfte Dosis Astrazeneca.

„Schlammpfuhl-Eruption“ mit Blasenwurf

Es gibt jedoch auch Hustenanfälle, bei denen es ganz drauf ankommt. Das Husten mit verstopfter Nase zum Beispiel, die „Schlammpfuhl-Eruption“, gern auch mit Blasenwurf, hat eine Evolution im Laufe der Pandemie durchgemacht. Bei den ersten Varianten war Schnupfen bekanntlich kein typisches Anzeichen von Corona. Hörte man also ein verschnupftes Husten, ließ sich mit der erleichtert abgenommenen Maske der noch kalte Angstschweiß von der Stirn wischen. Mittlerweile tarnt sich Corona allerdings mit einer Rotznase, was das Gefährdungspotenzial der „Schlammpfuhl-Eruption“ erhöht.

Beim extrem ekligen „Röchelwürgen“ wiederum schaue ich mir die hustende Person ganz genau an. Handelt es sich um einen alten Mann, ziehe ich die Maske, mich vorläufig sicher fühlend, schon mal unter die Nase, hat dieser zudem einen nikotingelben Schnurrbart, setze ich die Maske ganz ab, denn Lungenkrebs ist schlimm, aber zum Glück nicht ansteckend. Ein „Röchelwürgen“ einer jungen Person weist jedoch auf eine aktuell noch akute Erkrankung und mich darauf hin, mich ein paar Plätze weiter weg zu setzen.

Meiner Erfahrung nach gibt es nur ein wirklich bombensicher ungefährliches Husten: das am trocken-schmerzhaften Anhusten und dem markanten Pfeifton erkennbare „Pikkolohusten“. Pikkolohuster sind garantiert nicht erkältet, sondern setzen gerade zur Erklärung an, warum E-Zigaretten so viel gesünder als Zigaretten sind.

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kari

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