Die Wahrheit: Und wieder ein dreckiges Dutzend

Endlich eine vernünftige Liste zwischen den Jahren: Die zwölf besten Gurken der Wahrheit aus dem Jahr 2023. Von Nana Mouskouri bis Olaf Scholz.

Gurkenscheiben um eine Tomatenscheibe

Umzingelt von peinlichen Gurken: tapfere Tomate Foto: reuters

An sechs Tagen der Woche, rund 300 Mal im Jahr, erscheint auf der Wahrheit-Seite die „Gurke des Tages“, inklusive der „Gurke der Woche“. Die kurze, vor über 30 Jahren entwickelte Glosse bietet auf 14 bis 17 Zeilen einen hervorragenden Platz, von allen guten Geistern verlassene Personen oder Organisationen und ihre Auslassungen zum Weltgeschehen zu gurken. Der alltägliche Sprach- und Gedankenmüll wird entsorgt – ein erfrischender Reinigungsvorgang für Hirn und Herz. Die Gurken sind kleine Perlen, die im Alltagsbetrieb oft zu schnell untergehen. Deshalb präsentieren wir nach diesem bewegten Jahr noch einmal die glitzerndsten – als klassische Hitparade von Platz zwölf bis eins.

Platz 12: 20. Juni

Früher glaubte man, Mouskouri sei das griechische Wort für Brille. So berühmt war die Sängerin Nana Mouskouri nicht nur für ihre Schlager, sondern auch für ihre wuchtigen Sehhilfen. Ihre schwarzen Gewaltbrillen standen ganz im Gegensatz zu ihren sanften Tönen über „Weiße Rosen aus Athen“. Jetzt lässt die 88-Jährige einige ihrer glasbausteindicken Kuckhobel versteigern, wie die Vieraugenagentur AFP gestern meldete. Für einen guten Zweck. Mouskouri heißt jetzt Kontaktlinse.

Platz 11: 30. Januar

Es ist etwas faul im Staate Dänemark. Obwohl Shakespeare Olaf Scholz noch gar nicht kannte. Dafür kennt die spanische Zeitung El País den Kanzler umso besser. Am Sonntag erklärte sie Scholz in ihrem Leitartikel zum „Hamlet im Kanzleramt“. Denn nachts wandelt der Dänenprinz Olaf bei flackerndem Kerzenschein mit einem Totenschädel in der Hand durch sein Berliner Schloss und munkelt: „Sein oder Nichtsein?“ Das kommt uns arg spanisch vor.

Platz 10: 5. April

Bedauernswert, wie mutlos sogar Grabsteine sind: „Alte Grabsteine brauchen mehr Mut“, meldete gestern die Friedhofsagentur epd. Aber warum nur fehlt den Trauermonumenten jeder Mumm? Ist es das Umfeld? Das ständige Herumlungern mit glatten und kalten Nachbarn? Die ihnen einreden wollen, sie seien alt, arm, dick, hässlich und unglücklich? Das muss nicht sein! Es gibt immer einen Ausweg! Rafft euch auf, Grabsteine! Fasst Mut! Ihr steht doch noch mit beiden Beinen im Leben!

Platz 9: 4. Mai

Die eher zart gebaute Schauspielerin Jeanette Hain bekennt sich in der aktuellen Ausgabe der Zahnarztzeitschrift Gala zu einer „bizarren Angewohnheit“. Eine „Jugendsünde“ von ihr sei es, „bis heute Bierflaschen mit Zähnen zu öffnen“. Da will sich wohl eine Dame, die es eigentlich gar nicht nötig hat, interessant machen, was uns allerdings nicht wirklich beeindrucken kann. Würde Jeanette Hain Bierflaschen mit den Arschbacken öffnen – das wäre cool.

Platz 8: 8. Februar

So klar der Himmel über Berlin am Dienstag auch war, so schwer lag doch über dem Regierungsviertel ein Mief. Wo sonst viel heiße Luft produziert wird, roch es nun nicht gerade nach Äpfeln und Nüssen. Schuld war Christian Lindner. Der FDP-Boss war am Montagabend beim „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ des Landes Niedersachsen zum neuen „Oldenburger Grünkohlkönig“ erklärt worden. Seither mockt Kolik-König Lindner die Hauptstadt deftig ein.

Platz 7: 8. November

In der gesellschaftspolitischen Schaumsprache ist der „Dialog“ eine Art sanftes Ficken mit Sprechwerkzeugen. Ganz besonders gut beherrschen den „Dialog“ deshalb verständnisvoll säuselnde Pfaffen. Wie die Kirchengranate Margot Luther Käßmann, die epd zufolge demnächst in der Bremer Liebfrauenkirche sogar „ein Dialogkonzert für Frieden und Verständigung“ veranstalten will. Ein orales Fest der Selbstbefriedigung für blubbernde Schwarzröcke.

Platz 6: 9. September

Der Zoll und die Punks – offenbar ein Kapitel für sich. Gleich mehrfach meldeten in der vergangenen Woche die Hauptzollämter Rosenheim, Bremen, Landshut und Frankfurt (Oder): „Bundesweite Schwerpunkprüfung“. Wir wissen ja: „Punk will never die!“ Aber wer sind diese ominösen Schwerpunks? Die Iroträger in der Fußgängerzone? Mit den Bierflaschen? Die sind doch harmlos. Wenn das nicht aufhört, müssen die Punks wohl mal eine Schwerpunktprüfung Zoll vornehmen.

Platz 5: 23. März

Attila ist tot. Nein, nicht der Hunnenführer. Sondern der Hund des Ministerpräsidenten von Thüringen. „Ramelow verabschiedet sich von Hund“, meldete gestern dpa. Bodo Ramelow habe eine „Ode an unseren treuen Attila“ verfasst. Weil der Linken-Politiker viel Lob für sein gefühliges Gedenken erhalten hat, will er seine Tätigkeit als Trauerdichter fortsetzen, sobald sich eine linke Hunnenführerin für immer verabschiedet: „Ode an unsere nibelungentreue Sahra.“

Platz 4: 2. September

Auch im Metzgergewerbe wird eine enge Bindung zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen immer wichtiger, teilte uns jüngst ein „Social-Recruiting-Experte“ mit: „Fünf Schritte, wie Fleischereien ihre Mitarbeiter binden können.“ Wir haben da unsere eigene Anleitung: Man lege den Arbeitnehmer vor sich, nehme Küchengarn, wickle die Schnur um ihn, lege den Finger aufs Kreuz, verknote die Schnur, die aber nicht ins Fleisch schneiden darf. Omas alte Rollbratenbindung.

Platz 3: 26. Juli

Jedem Journalisten, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, erzählt Iris Berben das immer Gleiche: Sie wolle „ewig leben“ (Bunte, 2020) oder „unsterblich sein“ (Esquire, 2022). Jetzt hat die gefühlt 100-jährige Schauspielerin der dpa Erstaunliches verraten: „Ich würde gern noch ein paar Hundert Jahre leben.“ Wir aber können La Berben nur noch einmal darauf hinweisen: Journalisten sind die falschen Ansprechpartner. Für Unsterblichkeit zuständig ist der Sensenmann. Bitte den volllabern …

Platz 2: 16. November

Brutaler Antisemitismus bedroht Jüdinnen und Juden spätestens seit dem Angriff der Terrorbande Hamas auf Israel auch hierzulande. Und was fällt den Insassen dieses Staates zur Verteidigung ihrer Mitbürger ein? Die gute alte Lichterkette! Am Sonntag soll in Lübeck „eine Lichterkette als Zeichen der Hoffnung und Anteilnahme gebildet werden“, meldete die Nachrichtenagentur epd gestern. Mit Kerzen gegen Baseballschläger! Die Deutschen bleiben trübe Funzeln.

Platz 1: 17. November

In Halle an der Saale / Da ist des Wassers Strahle / Teuer wie sonst nur das Bier / Im Pieselland der Deutschen hier. So flossen gestern Reime aus uns heraus, als wir eine Pressemitteilung lasen: „Nirgends ist der Toilettengang so teuer wie in Halle.“ Pünktlich zum Welttoilettentag am 19. November wollte ein „Informationsportal“ es wissen: Wie viel nehmen Wasserwerke für die Toilettenspülung? Informationen, die niemand braucht, wir lassen es lieber weiter lyrisch laufen: In Halle an der Saale …

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