Fußballverein erzieht Mit­ar­bei­te­r*in­nen: Weniger CO₂, mehr Geld

Der Zweitligist VfL Osnabrück hat eine Gemeinwohl-Klausel zur CO₂-Reduktion in seinen Arbeitsverträgen verankert. Ist das übergriffig oder sinnvoll?

Zwei Mannschaften stehen im Osnabrücker Fußballstadion unter einer Anzeigetafel mit dem Text: "Brücken bauen für den Frieden".

Auch politisches Engagement gibt es beim VfL: Schweigeminute vor dem Spiel am 21. Oktober Foto: dpa | Axel Heimken

OSNABRÜCK taz | Gemeinwohl. Klingt gut, dieses Wort. Nach ethischer Haltung, sozialem Bewusstsein. Perfekt, um sich damit zu profilieren. Auch der Osnabrücker „Verein für Leibesübungen von 1899“ (VfL), dessen Fußball-Profimannschaft derzeit in der Zweiten Bundesliga spielt, setzt auf dieses Wort. Es gibt Gemeinwohl-Tickets. Und es gibt eine Gemeinwohl-Klausel; seit 2021 steht die in seinen Arbeitsverträgen.

„Die Themen Enkeltauglichkeit und Gemeinwohl beschäftigen uns in vielerlei Hinsicht als Klub und sind fester Bestandteil unserer Mission und Vision“, sagt VfL-Sprecher Sebastian Rüther der taz. Ein Aspekt dabei sei die Nachhaltigkeit. So sei die Idee der Gemeinwohl-Klausel entstanden.

Ihren Wortlaut will Rüther der taz allerdings nicht nennen. Nur so viel: Sie enthält die Kompensation der persönlichen, berufsbezogen emittierten CO2-Äquivalente. Das geschieht, indem der „entsprechende monetäre Wert“ vom Gehalt abgezogen wird, so schreibt es der Verein demonstrativ auf seiner Website. Auch „Aspekte wie vegane oder vegetarische Ernährungsgewohnheiten“ seien „eingeflossen“, heißt es dort.

Als Partner hat sich der VfL dafür „Fortomorrow“ gesucht, eine Berliner gemeinnützige GmbH, deren Gesellschaftsvertrag „Projekte zur Minderung von Treibhausgasemissionen“ als Zweck anführt, „Projekte, die die atmosphärische Treibhausgas-Konzentration senken“, von der Baumpflanzung bis zu Aufkauf von Emissionsberechtigungen. Auch von „Maßnahmen zur Bildung und Bewusstseinsbildung“ zu Umwelt- und Klimaschutz spricht der Vertrag. Die Kompensationen der VfL-Belegschaft tragen dazu bei, dies mitzufinanzieren.

Sebastian Rüther, Sprecher des VfL Osnabrück

„Ob die Gemeinwohl-Klausel in Verträgen vor einem Arbeitsgericht standhalten würde, spielt für uns keine entscheidende Rolle“

Der Arbeitgeber berechne „das Thema Mobilität in Bezug auf den Weg zur Arbeit“, erklärt Rüther; pro Tonne CO2 falle eine Kompensationszahlung von rund 40 Euro an. Die weitere Bilanz werde vom Mitarbeitenden selbst ermittelt, über den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes. „Ob er dies tut, ob seine Angaben korrekt sind und wie viele der berechneten CO2-Emissionen er davon über die Klausel kompensieren möchte, ist seine persönliche Entscheidung und völlig freiwillig“, sagt Rüther. Der Maximalbetrag aber sei „mit 750 Euro pro Jahr festgeschrieben“.

Etwa zwei Drittel der Arbeitsverträge beim VfL Osnabrück enthalten die Klausel schon. „Das Feedback war generell positiv“, sagt Rüther. „Niemand hat sich geweigert, einen Vertrag mit Klausel zu unterschreiben. Auch kam es weder in der Vergangenheit noch würde es in Zukunft zu einer Nichteinstellung kommen, wenn jemand mit der Klausel nicht einverstanden ist. Die Gemeinwohl-Klausel unterliegt der Freiwilligkeit.“

Das liest sich auf der Website des Vereins anders. Dort sagt VfL-Geschäftsführer Michael Welling, die Klausel sei „verpflichtend für jeden neuen Mitarbeitenden“, bezeichnet die Kompensierung als „effektiv“. Aber wenn die Klausel „verpflichtend“ ist, warum bekommt dann auch der beim VfL einen Job, der „nicht einverstanden“ ist? Das klingt nach einem Widerspruch. Allerdings wäre es ja auch nicht schlimm, trotzdem zu unterschreiben, schließlich lässt sich die Kompensation offenbar weitgehend unterlaufen, was das Ganze potenziell zur Luftnummer macht.

Mehr noch: Niemand mit der Klausel im Vertrag werde finanziell schlechter gestellt als ohne, sagt Rüther, „weil sie nur mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung oder in der Verbindung mit Gehaltsverhandlungen bei neuen Arbeitsverträgen Berücksichtigung findet“. Es liege kein Bestrafungsmechanismus, sondern ein Anreizsystem zugrunde. Auch Welling spricht von einem „direkten monetären Anreiz zur Verhaltensänderung“. Nachhaltigkeit soll sich also rechnen. Und der VfL will zu ihr erziehen.

Die Klausel sei „eine Option, um für das Thema ökologische Nachhaltigkeit zu sensibilisieren“, sagt Rüther, und das passt zum VfL, denn der zeigt auch anderweitig gesellschaftlich Flagge: Seine Positionierung gegen rechte Gesinnung ist demonstrativ.

In der Umsetzung hakelig

Die Frage, auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage die Klausel fußt, wehrt Rüther ab: „Ob die Gemeinwohl-Klausel in Verträgen vor einem Arbeitsgericht standhalten würde, spielt für uns keine entscheidende Rolle, weil sowohl die Unterschrift und Anerkennung der Klausel als auch die Angabe und Kompensation der meisten Emissionen auch mit Klausel auf Freiwilligkeit beruhen.“

In Zahlen drückt sich diese Freiwilligkeit so aus: In der Saison 2022/23 betrug das Kompensationsvolumen insgesamt rund 7.000 Euro, bei 19 Arbeitsverträgen. Heute steht die Klausel in mehr als doppelt so vielen Verträgen. Eine gute Idee, auch für das Image des Fußballvereins. Aber in der Umsetzung hakelig.

Die Klausel des VfL „scheint ein Bestreben, seine gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen“, räumt Gewerkschaftssekretär Olaf Cramm ein, DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Solange die Absicht die Bewusstmachung gemeinsam zu verantwortenden Handelns sei „und nicht disziplinierender Zwang oder übergriffige Kontrolle“, sei der VfL „auf einem sinnigen Weg“.

Cramm mahnt jedoch: Freiwilligkeit habe beim Verkauf von Arbeitskraft „immer einen fragwürdigen Beigeschmack“.

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