Alexei Nawalny in Russland verurteilt: Wie unter Stalin

Der Kremlkritiker Alexei Nawalny wird wegen Extremismus verurteilt. Es ist die dritte Haftstrafe seit 2021.

Alexej Nawalny ist per Videoübertragung aus einer Strafkolonie während einer vorläufigen Anhörung vor dem Moskauer Stadtgericht zu sehen

Nawalny nimmt im Mai bei einer Anhörung per Videoübertragung aus dem Straflager teil Foto: Moscow City Court/reuters

BERLIN taz | 19 Jahre Haft unter verschärften Bedingungen: So lautet das Urteil des Moskauer Stadtgerichts gegen Alexei Nawalny, einen der wohl bekanntesten Oppositionellen Russlands. Der 47Jährige war in sechs Punkten angeklagt worden – darunter Aufbau und Finanzierung einer extremistischen Organisation, Aufruf zum Extremismus, Rehabilitierung des Nazismus sowie Aufstachelung von Minderjähriger zu gefährlichen Handlungen. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Haft gefordert. Der Prozess fand hinter verschlossen Türen statt.

Eine maßgebliche Rolle bei dem Urteil, das am Freitag Nachmittag erging, spielt Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung (FBK). Die Stiftung war auf Betreiben des Generalstaatsanwalts 2021 für extremistisch erklärt und gezwungen worden, ihre Aktivitäten in Russland einzustellen. Nawalny war am 17. Januar 2021 von Deutschland, wo er wegen einer Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok behandelt worden war, nach Russland zurück gekehrt.

Bereits bei seiner Ankunft in Moskau war er auf dem Flughafen festgenommen worden. Einer Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft in einem Straflager wegen mehrfachen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen folgte 2022 ein weiteres Verdikt: Neun Jahre Gefängnis wegen „Betrugs in besonders großem Ausmaß“ und der „Missachtung des Gerichts“.

Derzeit sitzt er seine Strafe im Lager Melechowo in der Region Wladimir, rund 250 Kilometer östlich von Moskau ab. Regelmäßig wird Nawalny in eine spezielle Strafzelle für Häftlinge verbracht, die angeblich gegen die Haftordnung verstoßen haben sollen. Dort haben die Gefangenen noch weniger Rechte als ohnehin schon.

Lache aus Schlamm und Blut

Am 20. Juli hatte sich Nawalny in einem abschließenden Statement vor Gericht geäußert. Unter Wladimir Putin habe Russland mehrere große Sprünge gemacht und alle herum geschubst, aber dann sei es ausgerutscht, habe alles um sich herum zerstört und sei zusammengebrochen“, so Nawalny über sein Land.

Jetzt zappele Russland in einer Lache aus Schlamm und Blut, mit gebrochenen Knochen, einer verarmten, ausgeplündeten Bevölkerung. Und mit Zehntausenden Menschen, die im dümmsten und sinnlosesten Krieg des 21. Jahrhunderts ihr Leben verloren haben. „Aber früher oder später wird es wieder aufwärts gehen. Und wie Russlands Fundament in Zukunft aussehen wird, hängt von uns ab“, sagte Nawalny.

Am Donnerstag hatte sich der Kremlkritiker mit einem Post an die Öffentlichkeit gewandt und sich dabei als treffsicher mit seiner Prognose erwiesen. „Es wird eine lange Haftstrafe sein, à la Stalin. Sie werden mir 18 Jahre geben, so etwas in der Art“, schrieb Nawalny. Das Ziel dieses Urteils sei, die Menschen einzuschüchtern, um jeden Gedanken an Widerstand zu ersticken.

Diese Strategie dürfe nicht aufgehen. Stattdessen müsse sich jede/r fragen, was er oder sie tun könne – „um die Schurken und Diebe aufzumischen, die im Kreml sitzen und mein Land sowie meine Zukunft verschlingen? Wenn Sie sich diese Frage beantworten, wagen Sie es nicht zu sagen: nichts. Sie können. Jede/r kann etwas tun“, so Nawalny.

Mit Nawalny stand der ehemalige technische Direktor des YouTube-Kanals Nawalny LIVE, Daniel Cholodny vor Gericht. Er wurde der Beteiligung an extremistischen Aktivitäten sowie der Finanzierung selbiger für schuldig befunden. Unter anderem hatte er Spenden auf YouTube Spenden gesammelt. Das Strafmaß steht noch aus. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Gefängnis gefordert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.