Wegen Verbrechen gegen Menschlichkeit: Klage gegen Ex-Frontex-Chef

Menschenrechtsorganisationen verklagen den Ex-Frontex-Mann und Rassemblement-National-Politiker Fabrice Leggeri. Grund: seine Rolle bei Pushbacks.

Porträt von Fabrice Leggeri, er sitzt in einem Sessel und spricht, hinter ihm groß das Logo von Frontex

Fabrice Leggeri im Frontex-Hauptquartier in Warschau Polen im September 2021 Foto: Kacper Pempel/reuters

PARIS taz | Die französische Menschenrechtsliga LDH und die Flüchtlingshilfsorganisation Utopia56 haben am Dienstag Klage gegen den früheren Exekutivdirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, eingereicht. Sie beschuldigen ihn der Beihilfe zu Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Leggeri, der bei der kommenden Wahl der EU-Abgeordneten auf dem dritten Listenplatz des rechtsextremen Rassemblement National (RN) kandidiert, weist diese Vorwürfe empört als „politisches Manöver“ zurück und droht mit einer Gegenklage wegen Verleumdung. Die Vorwürfe gegen den Ex-Chef der Frontex sind nicht neu. Sie erhalten aber im innen- und europapolitischen Kontext der Wahlen eine zusätzliche Brisanz.

Im November 2022 hatte bereits das European Center for Constutional and Human Rights (ECCHR) zusammen mit der Nichregierungsorganisation Sea-Watch gegen ihn und weitere hochrangige Verantwortliche der EU vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen einer „individuellen Verantwortung“ in zahlreichen Fällen von Freiheitsberaubung geklagt. Zu den weiteren Beklagten zählen Ex-Innenminister Matteo Salvini und die frühere EU-Delegierte für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini.

Schon in der Strafklage des ECCHR war geltend gemacht worden: Das Stoppen von Booten und Schiffen mit Migranten und Geflüchteten zum Zweck ihrer Rückführung nach Libyen, oder die Weitergabe von Standortangaben in Seenot geratener Boote an die libysche Küstenwache könne nicht als Rettungsaktion aus Lebensgefahr rechtfertigt werden. Es stelle stattdessen einen krassen Verstoß gegen das internationale Seerecht dar. Denn, wie seit mindestens 2011 bekannt ist, würden in Libyen die retournierten Geflüchteten inhaftiert. Vor allem aber seien sie einer „systematischen Ausbeutung“ sowie Misshandlungen, sexueller Gewalt und Versklavung ausgesetzt. Dies wurde auch von den Vereinten Nationen festgestellt.

Klage spricht von Beihilfe zur Folter
Emmanuel Daoud, Anwalt

„Der Vorwurf der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist sehr gravierend, aber noch gravierender ist es, Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern in Mittelmeer sterben zu lassen“

Aufgrund dieser Situation spricht die Klage in Frankreich von Beihilfe zu Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dafür ist dann auch die französische Justiz zuständig. Die Klage der beiden französischen Organisationen beruft sich auch auf einen belastenden Bericht des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF), der 2022 zu Leggeris Rücktritt als Frontex-Direktor geführt hatte.

Mit der Klage wurde dem Gericht in Paris eine 53-seitige Dokumentation überreicht. Der Anwalt der LDH, Emmanuel Daoud, erklärte dazu: „Der Vorwurf der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist sehr gravierend, aber noch gravierender ist es, Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern in Mittelmeer sterben zu lassen oder ihre gewaltsame Rückschaffung in libysche Sklaverei zu erleichtern.“ Leggeri habe eine persönliche Verantwortung dabei, weil er – statt die Regeln der Genfer Konvention und des Seerechts zu respektieren – die Rettungsuchenden an Libyen, Tunesien oder die Türkei ausgeliefert und dies in den offiziellen Berichten auch noch verheimlicht habe.

Leggeri entgegnet dem, er habe mit der Frontex von 2015 bis 2022 im Gegenteil „350.000 Migranten im Einklang mit dem internationalen Seerecht das Leben gerettet“.

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