Verschleppte Kinder in Nigeria: Das ignorierte Riesenland

Die Geiselnahme zeigt: Nigeria hat trotz neuer Führung alte Probleme. International wird das kaum erkannt. Es bräuchte Investitionen und Interesse.

Eine Frau, Rashidat Hamza aus Kuriga, hat Tränen in den Augen

Fünf der sechs Kinder von Rashidat Hamza sind unter den Entführten Foto: AP Photo/Chinedu Asadu

Nigeria ist in der Welt so gut wie unsichtbar. Das brodelnde Riesenland ist, so paradox es klingt, zu stabil. Alle vier Jahre finden Wahlen statt, es gibt keine schweren Artilleriegefechte und keine Fluchtbewegungen in Millionenstärke. Schlagzeilenträchtige Putsche und Kriege finden woanders statt. Aber für die 225 Millionen Menschen Nigerias wird das Überleben immer schwieriger.

Fast zehn Jahre ist es her, da überfielen islamistische Terroristen im Dorf Chibok im Nordosten Nigerias ein Mädcheninternat und entführten Hunderte Schülerinnen. Das Geiseldrama von Chibok bewegte 2014 die Welt. Jetzt fand im Ort Kuriga erneut ein grauenhaftes Geiseldrama statt, 287 kleine Kinder sind verschleppt. Aber in den Zeiten des Horrors von Gaza erregen ein paar Hundert verschwundene Kinder im tiefsten Nigeria kaum Aufmerksamkeit.

Seit dem Drama von Chibok hat Nigeria einen Regierungswechsel erlebt, die Ausbreitung des Sahel-Terrors und die Verwüstungen der Corona-Wirtschaftskrise, die vielen Menschen die Existenzgrundlage nahm. Mit Bola Tinubu ist seit Mai 2023 ein neuer Präsident im Amt. Aber in Kuriga war jetzt nicht einmal am hellichten Tag eine Grundschule vor Entführern auf Motorrädern sicher. Seit Tinubus Amtsantritt ist die bereits sehr hohe Zahl der Entführungsopfer in Nigeria um ein Drittel gestiegen und die bereits sehr niedrige Stromproduktion Nigerias ist um ein Drittel gesunken. Das ist keine schöne Statistik.

Nigeria bräuchte massive Investitionen und eine Öffnung der Welt für seine ungemein dynamische, kreative Bevölkerung. Seine Menschen wollen nicht leiden, sie wollen gestalten. Stattdessen werden sie ignoriert, von den eigenen Regierenden sowieso und vom Rest der Welt erst recht. Das Leben ist unerträglich, Sicherheit unerschwinglich. Muss erst geputscht oder die Hauptstadt bombardiert werden, damit draußen jemand was merkt? Solange die Lebensumstände in Afrikas bevölkerungsreichstem Land unzumutbar bleiben, wird Afrika insgesamt seine Probleme nicht lösen können.

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