Britin Shamima Begum und IS: Staatsbürgerschaft legal entzogen

Als 15-Jährige wurde Begum vom „IS“ angeworben, später verlor sie ihre Staatsbürgerschaft. Nun verwarf ein Gericht ihre Berufung.

Porträt von Shamima Begum, zeigt sie als junges Mädchen

Shamima Begum wird die britische Staatsbürgerschaft entzogen. Undatiertes Foto Foto: ap

MÜNCHEN taz „Wir sind uns einig, die Berufung abzulehnen“. Mit diesen Worten verwarf Sue Carr, leitende Richterin der englischen und walisischen Justiz am Londoner Hochgericht am Freitag die Berufung Shamima Begums. Insgesamt drei Richter waren an dem Fall beteiligt.

Begum, heute 24 Jahre alt, wurde als 15-jähriges Mädchen gemeinsam mit zwei Freundinnen von der Terrorgruppe „Islamischer Staat (IS)“ angeworben. Sie verließ dazu ihre Heimat Bethnal Green im Osten Londons, und reiste ohne Wissen ihrer Eltern über die Türkei nach Syrien. Dort wurde sie mit einem aus den Niederlanden stammenden IS-Kämpfer verheiratet.

Nach dem Zerfall des IS in Syrien fand sich Begum in einem Lager für ehemalige IS-Angehörige in Nordsyrien wieder. Der damalige britische Innenminister Sajid Javid hatte 2020 ihre britische Staatsangehörigkeit aufgehoben und ihr die Möglichkeit einer Rückkehr in das Vereinigte Königreich verwehrt: sie sei Mitglied einer terroristischen Organisation und stelle deshalb unter anderem eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar.

Nachdem ein Antrag ihrer Anwälte, wenigstens ihrem Berufungsverfahren persönlich in Großbritannien beiwohnen zu können, vom britischen Supreme Court (ebenfalls nach Berufung) abgelehnt worden war, wurde ihre eigentliche Berufung gegen die Entscheidung des Innenministers in ihrer Abwesenheit verhandelt. Sie verlor diesen Einspruch in erster Instanz im vergangenen Jahr.

Ursprünglich doppelte Staatsbürgerschaft, jetzt keine mehr

In der Berufung, zu der am Freitag das Urteil verlesen wurde, sollten verschiedene Aspekte ihres Falls weiter geprüft werden, darunter die Behauptung, dass sie als Minderjährige Opfer von Beeinflussung, sexueller Ausbeutung und Menschenhandel gewesen sei. Außerdem solle sie trotz einer zweiten Staatsangehörigkeit – Begum kam in London als Kind bangladeschischer Eltern zur Welt – durch den Entzug der britischen Staatszugehörigkeit de facto staatenlos geworden sein.

Bangladesch stellte klar, dass die junge Frau aufgrund ihrer Vergangenheit nicht einreisen dürfe. Als weiteres Argument ihrer Berufung wurde die ungleiche Anwendung der Verfügung gegen Bri­t:in­nen muslimischen Glaubens genannt. Die drei Richter des Hochgerichts verwarfen jedoch alle Argumente.

Richterin Sue Carr gab an, dass dem Innenminister alle erwähnten Aspekte bei seiner Entscheidung vorgelegen hatten, und dass es sein Recht war, diese Entscheidung zu treffen. Es sei zudem nicht bewiesen, dass sie tatsächlich Opfer von Menschenhandel gewesen sei. Sie möge durchaus unter dem Einfluss anderer gestanden haben, dann jedoch ihre eigene Entscheidung getroffen haben, so die Richterin.

Zwischen ihrer Ausreise 2015 und der Aufhebung ihrer Staatszugehörigkeit sei außerdem zu viel Zeit vergangen. Carr gab an, dass manche das Urteil des Innenministers als hart ansehen mögen, während andere glauben würden, Begum hätte ihr Schicksal selber ausgesucht, doch das Gericht könne darüber keine Meinung haben.

Begums Verteidiger, Daniel Furner, sagte, er werde weiter für Begums Rechte kämpfen, während das britische Innenministerium die Entscheidung im Namen der Sicherheit begrüßte.

May Foa die Co-Direktorin der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve, die Mitberater der Verteidigung Begums sind, erklärte der BBC nach dem Urteil, dass, das Vereinigte Königreich das einzige Land unter den G20-Staaten sei welche ihren Bür­ge­r:in­nen die Staatsbürgerschaft entziehe, das an Methoden aus der deutschen Nazizeit erinnere.

Bisher hätte es zudem auf Berufung von geheimen Informationen der Nachrichtendienste keine Angaben gegeben, weshalb Begum weiterhin eine Gefahr für die britische Staatssicherheit darstelle.

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