Prozess um Wikileaks-Gründer: Assanges letzte Chance in London

Die Anwälte des Wikileaks-Gründers Julian Assange wehren sich im entscheidenden Berufungsverfahren gegen seine Auslieferung an die USA.

Stella Assange, die Ehefrau von Wikileaks-Gründer Julian Assange, am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude in London Foto: Toby Melville/Reuters

LONDON taz | „Julian Assange würde es sehr bewegen, dass ihr alle gekommen seid. Was auch immer geschehen wird, bitte kommt weiter so“, bat Stella Assange, die Ehefrau des seit fünf Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehaltenen Julian Assanges am Dienstagmorgen vor den am High Court in London Versammelten.

Die am Dienstag begonnene zweitägige Anhörung der allerletzten Instanz könnte Assanges sofortige Ausweisung und Überführung an die Vereinigten Staaten nach sich tragen, sollten die Argumente der Verteidigung abgelehnt werden. Nur eine Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit sofortiger einstweiliger Verfügung könnte dies dann noch verhindern. Sollte die Verteidigung Recht bekommen, wird es zu einer Neuanhörung des Falles kommen.

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange war über den IT-Spezialisten des US-Militärs Bradley Manning (heute Chelsea Manning) an über 700.000 geheime US-Akten gelangt und hatte sie 2010 veröffentlicht. Assange soll jetzt auf Basis eines Ausweisungsabkommens zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich ausgeliefert werden. In den USA erwartet ihn ein Strafverfahren wegen 18 Vergehen, darunter eine Anklage wegen Spionage und eine potenzielle Freiheitsstrafe von bis zu 175 Jahren.

Assanges Verteidigung argumentierte am Dienstag, dass bei einem Berufungsverfahren 2021 die damalige Richterin wichtige Sachverhalte ignoriert und somit in ihrem Urteil geirrt hätte. Sie hatte zwar verfügt, dass Assange aufgrund seiner geistigen Verfassung in den amerikanischen ADX-Strafanstalten suizidgefährdet sei und deshalb nicht ausgewiesen werden dürfe. Doch nach späteren diplomatischen Zusicherungen der USA wurde der Ausweisung auf höherer Instanz zugestimmt.

Verteidigung beruft sich auf Menschenrechtskonvention

Die Verteidigung Assanges gab am Dienstag an, dass es für die strafrechtliche Verfolgung journalistischer Veröffentlichungen in den USA keinen Präzedenzfall gegeben hätte und so von Assange strafrechtliche Konsequenzen seiner Veröffentlichungen nicht abzusehen waren.

Eine Abschiebung würde deshalb vor allem gegen Artikel 5 und 10 der europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Es hätte zwar Fälle gegen Personen gegeben, die einen Amtseid geleistet hatten. Aber selbst da gelte zunehmend, ob die enthüllten Informationen im öffentlichen Interesse standen und ob es überhaupt andere Möglichkeiten gegeben hätte, innerhalb einer Organisation Alarm zu schlagen. Doch das sei nur das Problem Mannings gewesen.

Assange hätte rechtlich erlaubte journalistische Informationsbeschaffung im Interesse der demokratischen Aufrechterhaltung betrieben, so die Verteidigung. Das sei im Fall von Staatssicherheitsinformationen nichts Ungewöhnliches. Die von Assange veröffentlichten, unverfälschten und wahren Informationen hätten nicht nur zu gerichtlichen Verfahren in Pakistan, am Internationalen Strafgerichtshof und EGMR geführt, sie hätten die in den Kriegen angewandten Methoden verändert, ja zu ihrer Beendung beigetragen.

Laut Assanges Anwälten sei es nicht erwiesen, dass in den Veröffentlichungen genannte Personen deshalb Schaden erlitten hätten und dass ein möglicher Schaden im Vergleich mit dem öffentlichen Interesse in den Hintergrund trete.

Anwälte: USA handeln aus politischen Motiven

Eine Ausweisung Assanges verstoße auch gegen eindeutig politische Motive der USA, sich an ihm zu rächen. Das britische Ausweisungsabkommen mit den USA verbiete Ausweisungen, hinter denen politische Motive steckten.

Informationen, die auf Yahoo News veröffentlicht wurden, hätten gezeigt, dass es Pläne gab, Assange zu entführen und umzubringen, wozu Wikileaks als nichtstaatlicher feindlicher Nachrichtendienst klassifiziert worden sei.

Es bestehe zudem die Gefahr, dass in den USA gegen Assange weitere Anschuldigungen erhoben werden, die zur Todesstrafe führen könnten, erst recht, wenn Donald Trump noch einmal US-Präsident werden sollte. Auch sei weiter offen, ob Assange als Ausländer, dessen Veröffentlichungen im Ausland stattfanden, überhaupt den Schutz der First Amendments habe.

Am Mittwoch sollen die An­wäl­t:in­nen der USA zum Wort kommen. Assange selbst war am Dienstag nicht im Gericht anwesend, da es ihm gesundheitlich nicht gut gehe, hieß es von seinen Anwälten. Wann eine Entscheidung fällt, war zunächst unklar. Erwartet wird, dass sie nicht direkt im Anschluss an den zweiten Anhörungstag verkündet werden soll.

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