Nach dem Urteil zum Klimafonds: Haushalten und zusammenhalten

In der Bundesregierung herrscht weitestgehend Einvernehmen über die Planungssperre. Doch die Unsicherheit färbt auf die Koalition ab.

Das Gebäude des Bundesfinanzministeriums

Das Bundesfinanzministerium in der Niederkirchnerstraße in Berlin Foto: Schöning/imago

Mit dem Zusammenhalt in der Bundesregierung verhält es sich derzeit ähnlich wie mit der Haushaltsplanung: ­Aktuell scheint die Lage gesichert, Zusagen zu künftigen Verbindlich­keiten in der Koalition gibt es aber nicht. „Jetzt aufzugeben in dieser Situation, das würde ich für fahrlässig halten“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich am Dienstag. Viele ­Mitglieder der Regierungs­koalition sehen es derzeit ähnlich. Doch mit der teilweisen Haushaltssperre, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Montagabend verhängt hat, stehen alle ­Ministerien nun mit dem Rücken zur Wand.

Der Co-Vorsitzende der linken Gruppe der Demokratischen Linken in der SPD-Fraktion, Erik von Malottki, sieht die Ampel nach dem Karlsruher Urteil von vergangener Woche zur Umwidmung von Coronageldern in einer „Zerreißprobe“. Es komme nun darauf an, dass alle den Willen bewiesen, sich zusammenzuraufen und eine gemeinsame Lösung zu finden. „Bisherige Aussagen aus der FDP lassen mich allerdings daran zweifeln, ob dieser Wille bei der FDP vorhanden ist“, so von Malottki zur taz.

Grund für die Haushaltssperre: Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hatte vergangene Woche die Aufstellung des Klima- und Transformations­fonds für grundgesetzwidrig erklärt. Weil deshalb nun 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen, ist die gesamte Buchhaltung und Projektplanung der Bundesregierung durcheinandergeraten.

Die Sperre betrifft allerdings nicht die laufenden Geldmittel der Ministerien, sondern künftige Verpflichtungen. Mit dem Zahlungsstopp für neue Projekte, die noch dieses Jahr angedacht gewesen wären, sollen Vorbelastungen in den folgenden Jahren vermieden werden, hieß es aus Lindners Ministerium.

Dabei scheint das Vorgehen des Finanzministers in der Regierung abgesprochen gewesen zu sein. Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) befand die Haushaltssperre als „richtig“. „Der Schritt entspricht der Notwendigkeit der Situation“, hieß es aus dem Ministerium. Ähnlich äußerte sich auch das Digitalministerium von FDP-Minister Volker Wissing, sprach aber von neuen Prioritäten, die im Haushalt nun gesetzt werden müssten.

Sozialleistungen sollen nicht gefährdet sein

Das Arbeitsministerium bekannte sich zu den laufenden Verpflichtungen. „Sozialleistungen sind nicht gefährdet“, hieß es aus dem Ressort von Hubertus Heil (SPD) gegenüber der taz. „Gesetzliche Renten, Arbeitslosengeld, die Lebensunterhaltsleistungen der Grundsicherung werden natürlich auch weiterhin fristgerecht und in voller Höhe ausgezahlt.“ Das Haus prüfe derzeit wie alle Ressorts, was die Sperre im „Bundeshaushalt 2023 im Einzelnen bedeutet“. Auch der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, erklärte gegenüber der taz: „Keiner braucht sich vor einem Shutdown wie in den USA zu fürchten.“

Das Finanzministerium verschickte mit der Ankündigung der Planungssperre für dieses Jahr keine Handreichung dazu, wo im Haushalt gekürzt werden könne oder ob für das laufende Jahr die Schuldenbremse nochmal ausgesetzt werden solle. Das Finanzministerium erklärte, man werte derzeit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus und „prüfe mögliche Auswirkungen“. Ein Zeitplan war weiterhin nicht bekannt.

Um die Milliardenlücke im Haushalt zu schließen, würde die FDP am liebsten im Sozialbereich kürzen. „Die Kosten für den Sozialstaat sinken, wenn wir mehr Menschen in den Arbeitsmarkt bringen“, erklärte Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld in der FDP-Fraktion, zur taz. Dafür müsste vor allem die Vermittlung in Arbeit deutlich verbessert werden. „Wer arbeiten kann und sich weigert, sollte nicht auf Solidarität zählen können“, sagte Teutrine.

Aus der SPD mehrten sich dagegen Äußerungen über eine Aussetzung oder eine Reform der Schuldenbremse. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken forderte im Interview mit der taz, „die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen“. Durch die riesigen Aufgaben des Klimawandels und des demografischen Wandels müsse die Schuldenbremse reformiert werden. Der SPD-Linke von Malottki sagte, Kürzungen im Sozialen werde es mit seiner Partei nicht geben. Vom Kanzler erwartet er daher, „dass er jetzt kluge Lösung präsentiert, die eine sozialdemokratische Handschrift tragen“.

Die Union forderte als Konsequenz aus dem Urteil erneut eine Verschiebung der Beschlüsse zum Etat 2024. Nach der Planung der Ampelkoalition soll die Beratung darüber an diesem Donnerstag im Haushaltsausschuss abgeschlossen und der Etat dann am 1. Dezember vom Bundestag beschlossen werden. Zu Forderungen, die Schuldenbremse auszusetzen, wofür der Bundestag eine Notlage als Begründung anführen müsse, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Mathias Middelberg: „Was Herr Mützenich spürt, ist eine politische Notlage.“ Das reiche für eine Aussetzung der Schuldenbremse nicht aus.

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