Linke Strategie gegen Rechtspopulismus: Die Stammtische erobern

Die Linke diskutiert, wie sie RassistInnen in den neuen Ländern entgegentreten kann. Rettet die Linkspartei das christliche Abendland?

Der ausgebrannte Dachstuhl eines Hauses vor einem blauen Himmel.

Der Dachstuhl einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Töglitz im April 2015. Dort sollten eigentlich 40 Geflüchtete ihr vorübergehendes Zuhause finden. Foto: dpa

BERLIN taz | Arnsdorf, Freital, Clausnitz, Heidenau, Tröglitz. Kleine Gemeinden in Ostdeutschland sind zu den Schauplätzen eines großen Problems geworden. Es sind Orte, in denen Rassismus in Gewalt und Hetze als Ausdruck vermeintlicher Bürgercourage umgeschlagen ist. Warum findet Rassismus und Rechtspopulismus derartigen Anklang in ostdeutschen Gebieten und was kann man dagegen tun?

Das war die übergeordnete Frage bei der zehnten Ostdeutschland-Anhörung der Linksfraktion zum Thema: „Ankunft im Osten“. Geladen hatte die Linke in die thüringische Vertretung in Berlin. Neben den ostdeutschen Parteivorderen Katja Kipping und Dietmar Bartsch sprachen am Montag auch Vertreter der Zivilgesellschaft: etwa der evangelische Pfarrer und ehemalige Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth. Er sprach über sein Erleben des Schweigens einer gesellschaftliche Mitte.

Nierth war von seinem Amt im sachsen-anhaltischen Tröglitz zurückgetreten, nachdem ein extrem rechter Demozug vor seinem Privathaus endete, weil er sich als Bürgermeister für Flüchtlinge engagiert hatte. Der Grund für den Rücktritt: Es gab keinen Aufschrei in seiner Gemeinde über die von der NPD angemeldete Demo. Einen Monat später brannte die geplante Flüchtlingsunterkunft für 40 Personen. Der Fall zog bundesweite Aufmerksamkeit nach sich. Eine Flüchtlingsunterkunft gibt es bis heute nicht in Tröglitz.

„Die Linke muss stammtischfähig sein.“

Nierth erlebte nach seinem Engagement für Flüchtlinge soziale Ächtung in dem Dorf mit 2.800 Einwohnern. Heute sagt er: „Die schweigende Mitte ist eine große Gefahr für die Gesellschaft. Wie können wir die Gesellschaft und ihre Werte retten?“ Politisch traut der Theologe das am ehesten der Linkspartei zu: „Wir nennen es Nächstenliebe, die Linke nennt es Solidarität. Die Linken haben mehr Wertüberschneidungen mit der Kirche als die christlichen Parteien. Retten sie das christliche Abendland?“

Um rechtspopulistischen Protest und rassistischen Taten entgegenzutreten, gebe es im Osten gute Voraussetzungen, sagt Bartsch: „Jeder vierte Einwohner der ehemaligen DDR war direkt betroffen von Flucht. Der Osten hat Migrationserfahrung, weiß, wie das Leben in der Transformation ist.“

„Wir nennen es Nächstenliebe, die Linke Solidarität“

Zur konkreten Umsetzung regte Jan Korte, Vizevorsitzender der Linksfraktion, seiner Partei die Schärfung des Alltagsverstandes an. Er sagte: „Wir müssen unsere Politik regionalisieren“. Durch konkrete Forderungen und den Einsatz vor Ort könne man die gesellschaftliche Politisierung nutzen. „Die Linke muss stammtischfähig sein. Erst muss man eingeladen werden und dann dagegenhalten.“

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