Kommentar „Breaking the Silence“: Was niemand wissen soll

Gegen das armeekritische Bündnis „Breaking the Silence“ wurde in Israel ein Verfahren eröffnet. Der Staat ist verunsichert.

Menschen sitzen in einem Raum vor Computern

Das Büro von „Breaking the Silence“ in Tel Aviv Foto: reuters

Israels Militärgerichte verfolgen die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen. Plünderer werden zur Verantwortung gezogen, und auch wer sich bei Vandalismus beobachten lässt oder gar bei gezielter Körperverletzung an Unschuldigen, läuft Gefahr, anschließend dafür büßen zu müssen. Nach jedem Krieg sind es immer ein paar Soldaten, eine Handvoll, vielleicht mal ein Dutzend, die es erwischt – ein Bruchteil derer, die einen Prozess verdienten.

Die Nichtregierungsorganisation „Breaking the Silence“ (das Schweigen brechen) deckt auf, was der Staat der zivilen Öffentlichkeit gern vorenthielte. Vandalismus und Menschenrechtsverletzungen sind in der israelischen Armee keine Ausnahmen. Sie gehören zum Alltag in den besetzen Palästinensergebieten.

Die Aktivisten von „Breaking the Silence“, allesamt Reservisten der Armee, sind glaubwürdig, denn die Zeugen, die die NGO befragt, belasten sich selbst. Sie weigern sich, teilzuhaben an dem selbstherrlichen Mythos einer Armee, die sich eine „Reinheit der Waffe“ zuschreibt. Sie decken Missstände auf. Nur mit Soldaten wie den Reservisten von „Breaking the Silence“ hat die Armee eine Chance, sich von den schwarzen Schafen zu befreien.

Die meisten der Soldaten, die ihre Erlebnisse schildern, tun es anonym, weil sie vielleicht die Verfolgung scheuen, sicher aber ihre Kameraden, die sie als Verräter beschimpfen könnten. Die Aussicht, eines Tages als Quelle entlarvt zu werden, kann allein schon ausreichen, um weitere Zeugen abzuschrecken. Nichts anderes scheint das Ziel derer zu sein, die „Breaking the Silence“ nun vor Gericht zitieren. Wie jetzt bekannt wurde, will ein israelisches Gericht die NGO zwingen, ihre Quellen offenzulegen. Am Sonntag soll es dazu eine entsprechende Anhörung geben.

Der Kampf des Staates gegen die Kritiker der Besatzung ist Signal für eine Verunsicherung. Wer sich im Recht weiß, muss Kritik nicht fürchten. Die NGO der Reservisten sollte rechtlich denselben Schutz genießen wie Journalisten, die ihre Quellen selbst dann nicht preisgeben müssen, wenn es der Verbrechensbekämpfung dient. „Breaking the Silence“ leistet mit den Dokumentationen der Zeugenaussagen journalistische Arbeit. Wenn die Regierung öffentliche Kritik unterbindet, ist es um die Demokratie im Land nicht weit her.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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