„Panama Papers“ und die Gier: Liste der Schande

Die Panama Papers geben einen Einblick in die Welt der Superreichen. Für sie ist Geld nicht mehr „geprägte Freiheit“, sondern Selbstzweck.

Zwei Hände halten viele Euromünzen, im Hintergrund sind noch mehr Münzen

Ab wann hat man genug? Foto: dpa

Die Gesellschaft braucht unser Engagement, der Staat nur unser Geld. Doch da sollten wir pingelig sein: Dem Fiskus gebührt kein Cent mehr, als ihm von uns zusteht.

Insofern ist ehrenwert, was Steuerfachleute tun, nämlich verhindern, dass der Staat Geld bekommt, auf das er keinen Anspruch hat, uns also ein Stück Freiheit raubt. Denn, das wissen wir seit Dostojewski: „Geld ist geprägte Freiheit.“

Dostojewski hat auch gesagt: „Es gibt kein Glück im Wohlstand, durch Leiden wird das Glück erkauft.“ Aber dieser Satz ist leider weniger überzeugend. Das zeigen die Panama Papers: Wenn man sich die Menschen anschaut, die ganz offensichtlich versuchen, dem Staat noch nicht mal das zu geben, was ihm zusteht, weil sie glauben, dass Wohlstand eben doch eine Voraussetzung für Glück sein kann, muss man an der Weisheit des großen russischen Schriftstellers und der Gerechtigkeit in der Welt zweifeln.

„Verzweifeln“ wäre das treffendere Wort. Denn ist es nicht unfassbar, dass die, die sowieso schon viel zu viel Geld haben, um es sinnvoll oder wenigstens lustvoll noch ausgeben zu können, offenbar den Hals nicht vollkriegen? Der derzeit beste Fußballer der Welt oder stinkreiche russische Oligarchen, um nur ein paar aus einer langen Liste der Schande zu nennen? Sicher, Gier hat es immer gegeben. Komischerweise ist sie vor allem bei denen besonders stark ausgepägt, die eigentlich gar keinen Grund dafür haben, weil sie sowieso schon in Geld schwimmen.

Wie aus dem Zynismus ausbrechen?

Aber faszinierend ist schon, dass dank den Panama Papers ein kleiner Einblick in eine Klasse von Menschen möglich ist, für die Geld keine „geprägte Freiheit“ mehr ist, sondern offensichtlich Selbstzweck: Je mehr Nullen auf meinen Kontoauszügen vor dem Komma stehen, desto mehr bin ich. Wir schauen durch die Panama Papers auf eine wie durch den Strahl eines Leuchtturms kurz beleuchtete Welt im Dunkeln, die sich nur noch durch Geld selbst spürt. Dass sich selbst einer wie der genannte Fußballer nicht durch seine überragende sportliche Kunst definiert, sondern über den Mammon, ist erschütternd – und auch ein wenig traurig.

Diese Papiere illustrieren perfekt die eher abstrakte Statistik der britischen Wohlfahrtsorganisation Oxfam, nach der 2014 die 85 reichsten Menschen der Welt das gleiche Vermögen hatten wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung. In Zahlen ausgedrückt: Der Reichtum des obersten einen Prozents beträgt etwa 81,1 Billionen Euro. Tendenz steigend. Wer jemals die Superjachtparade im Hafen von St. Tropez oder eine Maserati-Autokolonne in der City von London erlebt hat, mag zunächst darüber staunen und lächeln. Sehr schnell fühlt man sich nur noch schlecht, wenn gleich um die Ecke Obdachlose ihre Cents aus Pappbechern zusammenzählen.

Angesichts der Panama Papers möchte man am liebsten (wieder) Kommunist oder irgendwie Revolutionär werden – aber das sind ja beides Konzepte, die sich als wenig erfolgreich erwiesen haben. Desillusioniert, wäre man schon froh, wenn wenigstens die internationale Finanzaufsicht funktionieren würde. Oder so etwas wie ein weltweites Fiskalsystem, das die vielen Steuerschlupflöcher verschließt und es den einzelnen Staaten erlaubt, von ihren Reichen das an Steuern zu erhalten, was ihnen zusteht.

Sicherlich ist es auf der Welt nie gerecht zugegangen, aber die weltweite Ungerechtigkeit und Ungleichheit hat ein Maß erreicht, das nur noch zynisch erträglich ist. Ist es schon naiv, darüber nachzudenken, wie man aus diesem Zynismus ausbrechen könnte?

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