Bundeswehreinsatz in Syrien: „Tornados“ über dem IS

„Zieldaten für andere, damit die etwas draufwerfen.“ – Bundeswehrflugzeuge klären jetzt Stellungen der Terrormiliz IS auf.

Bundeswehrtornado

Ein Aufklärungsflugzeug der Bundeswehr im türkischen Incirlik. Foto: dpa

ISTANBUL dpa | Das deutsche Engagement im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat eine neue Dimension erreicht: Am Freitag starteten vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus erstmals Bundeswehr-„Tornados“ zu Aufklärungsflügen über dem IS-Gebiet in Syrien und dem Irak. Nach knapp drei Stunden waren die beiden „Tornados“ ohne Zwischenfälle von der Mission zurückgekehrt.

Vier „Tornados“ sind seit Dienstag in Incirlik. Insgesamt sollen von Mitte Januar an sechs der deutschen Aufklärungsjets von der türkischen Basis aus für die Anti-IS-Koalition im Einsatz sein. Der Einsatz gegen den IS ist nicht der erste der „Tornados“ in einem Konfliktgebiet. Von 2007 bis 2010 flogen die deutschen Aufklärer über Afghanistan, was damals heftige Debatten auslöste.

Aus den internationalen Truppen gab es Kritik, dass Deutschland nur aufklären, nicht aber selber Taliban-Ziele angreifen wolle. Kritiker in der Bundesrepublik befürchteten dagegen, die Aufnahmen der deutschen „Tornados“ könnten für Bombenangriffe durch andere Nationen – etwa durch die Amerikaner – genutzt werden.

Inzwischen ist die Sensibilität für solche Bedenken in Deutschland gesunken. Vor allem durch den Kampfeinsatz in Afghanistan ist die Öffentlichkeit inzwischen daran gewöhnt, dass die Bundeswehr auch in kriegerischen Konflikten mitwirkt. Zwar ist es nun in Syrien und dem Irak wieder so, dass die Deutschen aufklären und andere Mitglieder der US-geführten Koalition die Bomben werfen. Die Bundeswehr benennt das diesmal aber zumindest klarer als damals am Hindukusch.

„Keine Landvermessung“

„Die Aufklärungsziele sollen dem Kampf gegen den IS dienen. Sie dienen natürlich auch als mögliche Ziele für weitere Operationen“, sagt ein Bundeswehr-Sprecher. Noch deutlicher formuliert es ein deutscher Sicherheitsexperte, der ungenannt bleiben möchte. „Wir machen da ja keine Landvermessung“, sagt er. „Es geht um „Targeting“, auch wenn man das nicht gerne hört. Wir liefern Zieldaten für andere, damit die etwas draufwerfen.“

Wie in jedem Krieg treffen auch in Syrien die Bomben nicht immer die beabsichtigten Ziele. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, bei einem Luftangriff der US-geführten Koalition am Donnerstag – also vor Beginn des „Tornado“-Einsatzes – seien acht Kinder und drei Frauen getötet worden.

Aufklärung auch für die Türkei

Für politische Brisanz könnte beim „Tornado“-Einsatz sorgen, dass Aufklärungsdaten auch der Türkei zugänglich gemacht werden. Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in Nordsyrien als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die türkische Luftwaffe greift PKK-Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak immer wieder an.

Die Regierung in Ankara droht zudem, sie werde nicht zulassen, dass die YPG ihren Machtbereich an der türkischen Grenze weiter ausdehnt. Westliche Staaten sehen in den Kurden-Milizen in Nordsyrien dagegen die dringend benötigten Bodentruppen gegen den IS – die sonst niemand stellen möchte.

„Was Aufklärungswert hat, wird an alle Partner weitergegeben“, sagt der Bundeswehr-Sprecher. „Das, was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist. (...) Es gibt keinen Grund dafür, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen darf.“ Die Türkei sei schließlich nicht nur Teil der Koalition, sondern auch Nato-Partner. Der Sprecher betont allerdings: „Nicht die Kurden sind Ziele, sondern der IS.“ Der deutsche Sicherheitsexperte warnt dennoch: „Wir dürfen bloß nicht in die Situation kommen, dass wir den Türken Informationen im Kampf gegen die Kurden geliefert haben.“

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