Staatliche Schadsoftware „Turbine“: Die NSA schickt Massen-Spam
Neueste Enthüllung aus den Snowden-Papieren offenbaren, dass NSA und GCHQ weltweit Rechner mit Schadsoftware infizieren – und das in industriellem Ausmaß.
WASHINGTON afp | Der US-Geheimdienst NSA hat einem Medienbericht zufolge eine Schadsoftware zur Infiltrierung von Millionen von Computern entwickelt. Mit den eingeschleusten Programmen könne die NSA Daten abgreifen und die Rechner fernsteuern, meldete am Mittwoch das Investigativ-Portal The Intercept, das Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden verbreitet.
Früher hätten die Geheimdienste auf diese Weise nur wenige ausgewählte Computer angezapft. Mit der „Turbine“ genannten neuen Technologie könne sich die NSA aber automatisiert in Rechner einklinken, heißt es in dem Artikel.
Die offenbar gemeinsam mit dem britischen Partnerdienst GCHQ erdachte Spionagesoftware gelangt den Angaben zufolge meist über Spam-Mails auf die Computer argloser Nutzer. In einigen Fällen würden die Angriffe auch durch das soziale Netzwerk Facebook laufen.
Mit der digitalen Wanze könne der Geheimdienst sogar über das Mikrofon und die Webcam der infizierten Rechner Aufnahmen machen. Den Ausgangspunkt haben die Hackerattacken demnach am NSA-Hauptquartier in Fort Meade sowie an Geheimdienststandorten in Japan und Großbritannien.
Industrielles Ausmaß
Zur Installation der Schadsoftware benötigt die NSA laut The Intercept etwa acht Sekunden. Während der Geheimdienst 2004 den Angaben zufolge nur auf 100 bis 150 Computern Spionagesoftware eingeschleust hatte, stieg die Zahl in den Folgejahren auf mehrere Zehntausend. Mit dem „Turbine“-Programm, das nicht mehr auf menschliche Hacker angewiesen ist, sei nun die Ausweitung auf ein „industrielles Ausmaß“ möglich, heißt es.
Die NSA kommentierte den Bericht von The Intercept zunächst nicht. Seit Juni kamen durch Snowden-Enthüllungen eine Reihe von Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes ans Licht. So überwachte die NSA nicht nur massenhaft E-Mails und Telefonate von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt, sondern hörte auch Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auf die Empörung aus dem In- und Ausland reagierte Obama mit einer Überprüfung der Geheimdienstarbeit.
Eine unabhängige Kommission legte im Dezember mehr als 40 Reformvorschläge vor, die der Präsident aber nur teilweise umsetzt. In einer Rede Mitte Januar versprach er unter anderem, ein Programm zur Sammlung der Telefonverbindungsdaten von US-Bürgern in seiner jetzigen Form zu beenden. Außerdem sagte er einen stärkeren Schutz der Privatsphäre ausländischer Bürger zu und verbot die Überwachung eng verbündeter Staats- und Regierungschefs. Grundsätzlich hielt Obama aber an den Spähprogrammen der NSA fest.
Leser*innenkommentare
Gast
Gast
Mit diesen Strategien
soll letzlich die
demokratische Zivilgesellschaft
wieder unterdrückt werden,
denn jedem, kann nun alles
untergeschoben werden!
Die NSA wird damit zum
Unterdrückungsorgan globalen
Ausmaßes.
Sie dient nicht mehr
nur der Informationsbeschaffung,
sondern der Fälschung
von Beweisen, Vernichtung von Beweisen und der Verzichtserzwingung der freien
bürgerlichen Rechte der westlichen Demokratien.
Das Ding ist so gemeingefährlich,
wie nur irgendetwas!
rugero
Die NSA ist zum Selbstläufer geworden. Unkontrollier bar mit einem unfaßbaren Maß an krimineller Energie.
Man hat den Eindruck, daß Obama und seine Administration das ganze Ausmaß nicht erfassen - oder in Ignoranz erstarrt sind.
Biene
Gast
Wem dient die NSA?
Dem Land?
Obama?
Der Regierung?
Der Partei?
Sich selbst?
Einer reichen Elite?
Wenn die NSA Industriepläne stiehlt, wer entscheidet dann und wer bekommt sie?
Wer in Amerika hält die Macht in Händen? Die Regierung kommt mir vor wie reine Dekoration.
Smaragd
Die Berichterstattung der taz war aber auch schon mal kritischer. "Eine unabhängige Kommission legte im Dezember mehr als 40 Reformvorschläge vor, ..." Wer sagt denn bitte seit Neuestem, dass diese Kommission unabhängig war? Das waren doch von Obama handverlesene ehemalige hochrangige Geheimdienstbeamte, wie können die unabhängig sein?
Und Sie haben auch schon mehrfach in den letzten Wochen die Mutmaßung der Geheimdienste, dass Snowden 1,7 Mio. Dokumente geleakt hat, unkritisch übernommen. Greenwald bestreitet auf der Seite "The Intercept", auf die Sie sich ja selbst beziehen, massiv, dass es so viele sind. Fakt ist, dass die US-Administration bis heute noch immer nicht den Schatten einer Ahnung hat, über wie viele geheime Dokumente die Journalisten verfügen, und welche es sind.
Hans
Gast
Frechheit der afp. The Intercept gibt nicht nur Snowden-Enthüllungen wieder, sondern betreibt investigativen Journalismus.