Vergabe von Aufträgen durch den Senat: „Das geht so nicht!“

Die Regeln für die Vergabe von Aufträgen hat der Senat offenbar gleich mehrfach verletzt, kritisiert die grüne Fraktionschefin Antje Kapek. Von Filz will sie indes nicht sprechen.

Müller und Henkel

Zwischen SPD (hier Michael Müller, r.) und CDU (hier Frank Henkel, l.) stimmt die Chemie grad nicht mehr so. Foto: dpa

taz: Frau Kapek, erneut werden Vorwürfe laut gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), er habe einen Auftrag am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einem SPD-Genossen zugeschanzt. Das ist doch ein Geschenk für die Opposition!

Antje Kapek: Naja. Es ist vor allem eine schwierige Situation für Berlin, wenn der Regierende Bürgermeister meint, dass der Notstand so groß ist, dass Aufträge frei Hand, also ohne Ausschreibung, vergeben werden können. Jetzt ist es Aufgabe der Opposition, den Finger in die Wunde zu legen und für maximale Aufklärung zu sorgen: Hier wurden vom Senat Verfahrensregeln missachtet. Das geht so nicht!

Ist denn eindeutig festgelegt, wann es eine Ausschreibung geben muss und wann nicht?

Ja. Es gibt klare Regeln, an die man sich zu halten hat – sowohl für die Ausschreibung als auch für die Information des Parlaments. Beides wurde in den bisher bekannt gewordenen Fällen nicht eingehalten. Dazu kommt: die bisherigen Antworten der Senatskanzlei waren in Sachen Vergabe unbefriedigend. Wieso wird argumentiert, am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) habe es einen Notstand gegeben, wenn sich Müller trotz mehrfacher Aufforderung dagegen gewehrt hat, diesen offiziell auszurufen? Dann hätte man dort ganz anders agieren können.

Mehren sich aus Ihrer Sicht die freihändigen Vergaben solcher Aufträge?

Derzeit scheint sich das ja aufs Lageso zu beschränken. Aber wir werden untersuchen müssen, ob das ganze System hat.

39, ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und eine der vier Aushängeschilder der Partei im kommenden Wahlkampf.

Was haben die Grünen vor?

Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mittel zur Aufklärung nach den Osterferien nutzen.

Die Senatskanzlei hat die Vorwürfe des Tagesspiegel energisch dementiert. Für die Vergabe des kritisierten Auftrags sei vielmehr der CDU-Sozialsenator zuständig gewesen, dem das Lageso untersteht.

In Medien sind erneut Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) erhoben worden, weil er ein Hilfsangebot der Firma Arvato zur Digitalisierung von Flüchtlingsakten an die Sozialverwaltung weitergeleitet hatte. Für diese Firma arbeitet der langjährige SPD-Mann und frühere Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Volker Halsch. Medien mutmaßten, hier sei ein lukrativer Auftrag an einen SPD-Mann ohne Ausschreibung vergeben worden.

Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat am Freitag die Kritik an der Auftragsvergabe an Arvato zurückgewiesen. Die Notsituation angesichts der langen Warteschlangen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) aufgrund des enorm gestiegenen Flüchtlingsandrangs Ende vergangenen Jahres sei so groß gewesen, dass eine freihändige Vergabe des Auftrags an Arvato gerechtfertigt gewesen sei, sagte Czaja. "Das hängt immer von der Dringlichkeit ab."

Müller habe in dieser Notsituation Firmen um schnelle Hilfe gebeten und die Angebote dann weitergeleitet, sagte Czaja. "Ich halte das für einen normalen Vorgang." Die Sozialverwaltung habe das Angebot geprüft und Arvato dann ohne Einholung anderer Angebote beauftragt. "Das, was Arvato für uns geleistet hat, war gut und wichtig", betonte der Senator.

Erst kürzlich gab es Kritik in Medien und von der Opposition, dass Müller und sein Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) dem früheren Berliner Staatssekretär Lutz Diwell (SPD) einen lukrativen Beraterjob bei McKinsey zugeschanzt hätten. Das hatte die Senatskanzlei - wie auch im Fall Arvato - energisch zurückgewiesen. (dpa, taz)

Das reicht mir nicht als Argument. Der Senat ist ein Kollektivorgan, deswegen ist letztlich egal, welcher Senator zuständig war oder ist. Zudem stimmt das Dementi so nicht: Auch Müller hat Vergabegespräche geführt. Ich würde bisher aber nicht so weit gehen, dem Regierenden eine Vergabe nach Parteibuch vorzuwerfen. Dafür müssen wir den Fall noch genauer untersuchen. Aber die Art und Weise, wie die Vergabe ablief, ist schwierig.

Der CDU-Generalsekretär spricht bereits von „Filz“. Sie auch?

Mit Filzvorwürfen zu hantieren finde ich problematisch. Uns geht es weiterhin vor allem um die Art der Vergabe. Und ich möchte mich nicht in das üble Spiel zwischen SPD und CDU einschalten. Was CDU-Generalsekretär Kai Wegner und SPD-Landeschef Jan Stöß ....

... der mit Blick auf CDU-Senatoren von „Totalausfällen“ gesprochen hat ...

.... derzeit betreiben, ist bedenklich und verantwortungslos. Die Koalition sollte regieren und sich nicht gegenseitig mit Schlamm bewerfen. Aber es scheint, als haben wir keine funktionierende Regierung mehr.

Vorwürfe der Vetternwirtschaft wiegen schwer. Die Grünen würden gerne nach der Wahl regieren, eher mit der SPD als mit der CDU. Hält man sich da zurück mit Beschuldigungen?

Nö. Wir haben auch nicht gesagt, dass wir mit einer Partei regieren wollen. Wir wollen ein starkes Ergebnis holen am 18. September.

Ist Müllers Ansehen jetzt schon beschädigt?

Das müssen letztlich die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Aber Berlin hat laut einer Umfrage die unbeliebteste Landesregierung in Deutschland. Das spricht für sich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.