Steit um die Wilhelmstraße: Senatsverwaltung für Abrissentwicklung

Hundert Wohnungen in der Wilhelmstraße sollen abgerissen werden. Wessen Interessen vertritt Bausenator Michael Müller (SPD)? Die der Mieter oder die des Investors?

Erst traf es den Palast der Republik. Jetzt sollen die Plattenbauten in der Wilhelmstraße folgen. Bild: AP

Als Kämpfer gegen spekulativen Leerstand: So gab sich Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) noch am Dienstag. Weil der Senat Ferienwohnungen nicht dulde und auch keinen Abriss, dem ein teurer Neubau folgt, wolle der Senat künftig Zweckentfremdung verbieten. Zwei Tage später wird deutlich: In der Wilhelmstraße in Mitte betätigt sich Müllers Verwaltung nicht als Verhinderin, sondern als Erfüllungsgehilfin von Abriss und Neubau.

So zumindest formuliert das Reiner Wild. Der Geschäftsführer des Mietervereins beklagt, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die verbliebenen 44 Mietparteien der Wilhelmstraße 56-59 über den geplanten Abriss der rund 100 Wohnungen informierte – nicht aber darüber, dass ein solcher Abriss rechtlich gar nicht möglich ist. „Die Mieter haben allen Grund, dem Senat nicht zu trauen“, so Wild.

Das sieht auch Jürgen Mickley so. Am Dienstag Abend hatte der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative Wilhelmstraße die Mieter zu einem Informationsabend eingeladen. Mit dabei war auch ein Anwalt. „Wenn nur ein Mieter standhaft bleibt und sich nicht umsetzen lässt, kann nicht abgerissen werden“, gibt Mickley das Ergebnis der Versammlung wieder. Grund sei eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, die 2004 beim Verkauf der Anlage an die heutigen Besitzer – die B.Ä.R. GmbH – abgeschlossen wurde. „Eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ist darin ausdrücklich ausgeschlossen“, sagt Mickley.

Für Müllers Verwaltung spielt das keine Rolle. „Das ist eine Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer“, begründet Sprecherin Petra Rohland, warum die Mieter im Schreiben ihrer Verwaltung nicht auf ihre Rechte hingewiesen wurden.

Stattdessen teilte das „Hauptstadtreferat“ der Senatsverwaltung den Mietern nur mit, dass die Firma Argus mit einem so genannten Sozialplanverfahren beauftragt worden sei. „Wir möchten Sie bitten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beratungsgesellschaft die hierfür erforderlichen Auskünfte zu erteilen“, heißt es in dem Schreiben vom 8. Juni, das der taz vorliegt. Normalerweise hilft ein Sozialplanverfahren den Mietern bei Modernisierung, eine Umsetzwohnung zu finden. „In diesem Fall aber hat die Stadtentwicklungsverwaltung damit den Abriss akzeptiert, anstatt die Mieter aufzuklären“, kritisiert Mietervereinschef Wild.

Mehr noch. Die Kosten des Verfahrens trägt der Eigentümer, also die B.Ä.R. GmbH. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing – so sieht auch die Beratung aus: Auch im Schreiben von Argus an die Mieter ist von ihren Rechten keine Rede. Senatssprecherin Rohland sieht auch daran nichts Kritikwürdiges: „Der Eigentümer hätte sich auf ein solches Vorgehen gar nicht einlassen müssen.“

Offenbar ist dem Senat auch gar nicht an den Mietern gelegen, sondern an einem schicken Neubau. Im so genannten Baukollegium, einem Gremium, in dem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher besonders bedeutende Bauvorhaben diskustiert, ist am 12. März auch der Neubau der B.Ä.R. GmbH Thema gewesen. Nicht um Für und Wider eines Abrisses sei es bei der Sitzung gegangen, sondern um die Gestaltung der Fassade, kritisiert die wohnungspolitische Sprecherin der Linken, Katrin Lompscher.

Für einen Mieter der Wilhelmstraße ist inzwischen klar: „Senat und Bezirk sind deshalb lange so lasch gegen Ferienwohnungen vorgegangen, damit die B.Ä.R. genügend Ersatzwohnungen hat und ansonsten problemlos abreißen kann.“

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