Rekordspiel im Hamburger Frauenfußball: Freie Plätze am Millerntor

Die Frauen des FC St. Pauli und des HSV treffen zu einem ungleichen Derby aufeinander. Erwartet werden deutlich mehr als 10.000 Fans.

Frauen in sportkleidung stehen auf einer grünen Fläche neben einer düster-grauen Betonwand

Zwischen Feldstraßen-Bunker und Millerntorstadion: Training auf der „Feldarena“ Foto: FC St. Pauli

HAMBURG taz | Es wird wohl das größte Frauenfußballspiel, das Hamburg je gesehen hat: Am kommenden Freitag treffen die ersten Frauenteams des FC St. Pauli und des HSV aufeinander. St. Pauli hat seinen Frauen dafür ausnahmsweise das Millerntorstadion geöffnet und schon jetzt ist klar, dass über 10.000 Zu­schaue­r:in­nen kommen werden, der Gästeblock ist schon ausverkauft. Vielleicht könnten es sogar 20.000 Fans werden, hofft man beim Club.

Es ist die zweite Runde des DFB-Pokals, und schon das ist für die St. Pauli-Frauen, die in der Dritten Liga, der Regionalliga Nord, spielen, ein Riesenerfolg. Sie haben in der ersten Runde den Magdeburger FFC im Elfmeterschießen niedergerungen. Magdeburg spielt in der Regionalliga Nordost, also auf Augenhöhe.

Nun kommt ein anderes Kaliber: Die HSV-Frauen sind gerade in die Zweite Bundesliga aufgestiegen. Statt Büppel, Barmke und Henstedt-Ulzburg stehen plötzlich Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt auf der anderen Seite – wenn auch nur die zweite Mannschaft, im Falle der Eintracht. Dort siegte der HSV am zweiten Spieltag 4:1, nachdem der Saisonstart im Sportpark Eimsbüttel gegen die Gladbacherinnen eine Woche zuvor schon Lust auf mehr gemacht hatte: Dem 2:2 waren 1.100 Zu­schaue­r:in­nen gefolgt.

Die zweite Bundesliga soll nur eine Durchgangsstation sein für die Frauen, die der HSV noch 2012 aus Kostengründen aus der ersten Liga abgemeldet hatte. Treibende Kraft dahinter ist Horst Hrubesch. Er setzt sich enorm für die HSV-Frauen ein, um die nötige Finanzierung, den nötigen Rahmen zu ermöglichen. Gedacht ist dabei eher an „Equal Play“ als an „Equal Pay“.

Bei den Männern herrscht mehr Rivalität

Als Managerin verantwortet die 33-jährige Catharina Schimpf als „Koordinatorin Frauenfußball“ den Aufschwung mit Blick in Richtung Bundesliga. Erster wichtiger Schritt war der Aufstieg Mitte Juni.

Im Juli dann gab es Misstöne. Der HSV entließ ziemlich überraschend Aufstiegstrainer Lewe Timm. Sein Assistent Marwin Bolz übernahm. Bolz ist Catharina Schimpfs Lebenspartner, was die Frage aufwarf, ob das der Hauptgrund für den Aufstieg vom Assistenten zum Chef gewesen sein könnte.

Der HSV e.V. verneinte dies gegenüber dem Hamburger Abendblatt und betonte, Schimpf sei nicht Vorgesetzte von Bolz. Wie zu hören ist, soll Hrubesch Hauptverantwortlicher für den Trainerwechsel von Timm zu Bolz gewesen sein. Unter anderem soll Hrubesch für eine Verjüngung im Trainerteam gewesen sein – Bolz ist 25, Timm 47. Bisher rechtfertigt der Erfolg diese Entscheidung. Das 0:1 im Heimspiel gegen den FC Ingolstadt am Sonntag war die erste Niederlage.

St. Paulis Frauen haben sich eine Liga tiefer nach zwei Auftaktniederlagen am Sonnabend immerhin schon mal für das Pokalderby warmgeschossen: Beim FC Jesteburg-Bendestorf siegten sie locker mit 4:0. Ob es in dieser Konstellation überhaupt ein echtes Derby werden kann? „Doch, klar“, sagt Ilijana Kljajić, Abteilungsleiterin für den Frauen- und Mädchenfußball. Sie relativiert jedoch gleich: „Aber diese Rivalität wie bei den Männern gibt es überhaupt nicht. Wir werden dort immer total nett empfangen.“

Begrenzte finanzielle Mittel bei St. Pauli

Solche großen, publikumsträchtigen Spiele haben den Frauenfußball insgesamt schon häufig vorangebracht. Kljajić will die Erwartungen aber nicht zu hoch treiben. „Für uns zählen vor allem die Erfahrungen, die wir jetzt sammeln“, sagt sie. Man wolle vor allem eine solide Drittligasaison spielen, ohne in Abstiegsnot zu geraten. Natürlich wünsche sie sich eine Weiterentwicklung.

Und auch das Trainer­duo aus Kim Koschmieder und Ex-Profi Jan-Philipp Kalla, die auch privat ein Paar sind, arbeite an der Professionalisierung. Aber dazu fehle es an vielem, sogar so banalen Dingen wie Trainingsplätzen und -zeiten. „Damit haben fast alle Hamburger Vereine Schwierigkeiten.“

Die St.-Pauli-Frauen, allesamt Schülerinnen, Studentinnen oder Berufstätige, trainieren derzeit viermal pro Woche vor dem Millerntorstadion auf einem Kunstrasenplatz, den sie liebevoll „Feldarena“ nennen. Tribünen hat die allerdings nicht. „Nur zwei, drei Bänke“, sagt Kljajić. Dennoch finden hier auch die Heimspiele statt. Die meisten der normalerweise rund 200 Fans stehen dann einfach am Spielfeldrand. Mittelfristig ist Besserung in Sicht: Wenn das neue Stadion vom Nachbarn Altona 93 am Diebsteich fertig ist, würde St. Pauli es gern für seine U23 und die Erste Frauen mitnutzen. „Wir sind da in guten Gesprächen“, sagt Kljajić.

Zunächst wird den St.-Pauli-Frauen das Geld helfen, das sie im Pokal einspielen – bei Ticketpreisen zwischen 10 und 20 Euro eine ordentliche Summe. Davon können sie mehr als die Pokaltrikots finanzieren, um deren Kosten es zuletzt Wirbel gegeben hatte. „Dass die Abteilungen so was bezahlen, ist im Amateurbereich völlig normal“, sagt Kljajić. Stimmt ja, noch geht es um Amateursport.

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